Mit der besten Freundin dem Ende entgegen
Die entvölkerte, mehrebenige Stadt |
Weder für die Beiden noch für den Zuschauer ist es wichtig, was genau diese Stadt entvölkert hat, denn dies ist nicht der Sinn des Anime. Es gibt zwar Hinweise, wie zum Beispiel das Datum und die Bilder im Fotoapparat, aber diese sind nicht der Fokus und auch nicht das Ziel von den Beiden. Statt sich mit einem klassischen Handlungsbogen zu beschäftigen, schaut man Chi und Yuu zu, wie sie ihr Krad durch ein zerfallene, kilometerlange Gebäude steuern und sich ganz nebenbei über dieses und jenes und ihre Umgebung unterhalten. Der Zuschauer (bzw. Leser) folgt den beiden, wie sie sich Stück für Stück ihrem Ziel, die Spitze der Stadt zu erreichen, nähern. Dabei stolpern oder irren sie nicht voller Verzweiflung durch die Stadt, wie man es vielleicht von den (vermutlich) letzten Überlebenden eines Dorfes erwarten würde, sondern suchen scheinbar bloß nebenbei nach Lebensmitteln. Sie scheinen zu wissen, dass sie am Ende ihres Weges nicht wirklich Rettung erwartet und haben sich bereits oder versuchen sich damit abzufinden. Solange Chi und Yuu einander haben, können sie ihr Los ertragen.
Ich glaube, um dieses Werk richtig zu verstehen, sollte ich wohl kurz mal „Mono no Aware“ anschneiden. Dieses japanische Konzept lässt sich als „Der Pathos der Dinge,“ oder auch „Das Herzzerreißende der Dinge“ übersetzen und meint im wesentlichen, dass man sich ob der Vergänglichkeit und Endlichkeit von etwas abfinden muss. Man kann traurig sein, aber es zugleich akzeptieren. Wie sehr man das Licht einer Kerze auch liebt, irgendwann wird sie heruntergebrannt sein. Man mag traurig über dieses Ende sein und mit der Kerze Mitgefühl haben, aber man akzeptiert die Unabwendbarkeit.
Verlassenes Kriegsgerät + Wasser = Springbrunnen |
Dabei sind die beiden Hauptcharaktere gute Gegenspieler. Die schwarzhaarige Chi ist pflichtbewusst und belesen und steuert das Krad, während die blonde und sorglose Yuu auf dessen Ladefläche liegt und sich auf die nächste Mahlzeit freut. Die beiden kümmern sich umeinander, nicht nur weil sie es müssen, sondern auch weil sie es wollen. Sie haben zwar ein diffuses Ziel, die oberste Ebene der Stadt zu erreichen, aber sie haben dieses eher, weil es ein brauchbares denn nützliches Ziel ist. Sie überleben um des Überlebens Willen auf dieser ihrer letzten Tour durch eine längst entvölkerte Welt.
Der Anime basiert übrigens auf der gleichnamigen 6-bändigen Mangareihe von Tsukumizu und setzt gut 2/3 der Vorlage um.
Ich habe das Gefühl, ich kann irgendwie nicht so richtig ausdrücken, was genau mich an der Serie so fasziniert. Ist es die Melancholie? Das postapokalyptische Setting? Das niedliche Charakterdesign? Der schöne Soundtrack? Ich kann es nicht festmachen, ich weiß bloß, dass mir die Serie sehr gut gefällt.
Es schadet auf jeden Fall nicht, dass sie mich in dieser melancholischen Grundstimmung an Hitoshi Ashinanos Yokohama Kaidashi Kikō / Yokohama Shopping Trip erinnert, das zwar auch irgendwie in einer dem Weltuntergang nahen Welt spielt, aber doch auch ganz anders ist.
Eine sehr schöne, melancholische Serie.
Titel: Girls’ Last Tour
Regie: Takaharu Ozaki
Länge: 12 Folgen à 24 Minuten (auf Netflix)
Sprache: Japanisch mit deutschen Untertiteln, Deutsch
PS: Das mit den militärischen Uniformen hat eine bestenfalls nebensächliche Bedeutung.
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