Montag, 5. September 2011

Der letzte Zeuge

Viele, viele Personen gaben an, die letzten Tage, Stunden und Minuten des Führers Adolf Hitler miterlebt zu haben, seinen Zerfall, und im nachhinein prophetisch zu behaupten, man habe ihm den Untergang angesehen. Rochus Misch, Mitglied der Leibgarde Hitlers und verwendet als Telefonist, ist aber wohl einer der wenigen Menschen, die dieses mit Fug und Recht von sich behaupten können. Allein schon aufgrund seiner Position war er immer in der Nähe Hitlers und seines Führungsstabes, kannte viele Gesichter der unmittelbaren Umgebung und war mit einigen sogar vertraut.

Inhalt

Rochus Misch war als Junge bei einem Aufmarsch Hitlers in Berlin dabei und davon hin- und weg - nicht ideologisch, sondern von der schieren Beeindruckung des Spektakels. Dies war aber kein Grund dafür, in der Leibgarde Verwendung zu finden, sondern eher im Gegenteil, Misch machte eine Lehre, wurde eingezogen und kam erst später aufgrund seines Wesens - "macht keinen Ärger" - in Betracht, als eine Stelle in der Leibgarde neu zu besetzen war.
Dort angekommen übernahm er viele Aufgaben - Kurier, Leibwächter und Telefonist sind die häufigsten. So waren er und seine Kameraden es, welche die Depeschen direkt zu Hitler auf seinen Posthocker legten, wenn der Führer schlief, Misch war, der Hitlers Schwester mit einem Geburtstagsgeschenk besuchte, Und es war auch Misch, der an der Telefonanlage im Führerbunker saß, als die Leiche des ehemaligen Reichskanzlers im Frühjahr aus dem Bunker getragen wurde.

Hintergrund

Besonders hervorzuheben ist der Unwille Misch's, sich in den Vordergrund zu schieben - oftmals scheint es, als wäre er bloß ein unbeteiligter Beobachter, der die Geschehnisse um sich herum wahr nimmt und teilweise mit seiner Kamera aufzeichnet, aber er selbst keine wirklich handelnde Person. Und dennoch war diese unaufdringliche Person stets so nah am Zentrum des dritten Reiches, dass man oftmals nicht glauben mag, wie Misch trotz solcher körperlicher Nähe zur Macht erst während seiner Kriegsgefangenschaft von den Konzentrationslagern erfuhr. Der elementare Wesenszug Mischs, keinen Ärger zu machen, drückte sich Beispielsweise in einem bemerkenswerten Desinteresse aus, die überreichenden Depeschen zu lesen oder auch nur zu überfliegen.
Genauso interessant ist der Einblick in das allgemeine Leben auf dem Obersalzberg, in der Wolfsschanze, Im Führerhauptquartier und insbesondere der Umgebung des Führers. Die Taten des Regimes werden dadurch nicht geschmälert, sondern vielmehr wird eine Entmenschlichung - à la "Das waren Monster!" - erschwert. Es waren eben keine Monster, sondern Menschen wie du und ich.

Fazit

"Der letzte Zeuge" vermittelt ein erstaunlich gutes Bild darüber, wie das Leben in Hitlers Umfeld war und durch die Unaufdringlichkeit von Misch wird das ganze nur noch surrealer. Ich kann das Buch jedem anraten, der einen Blick darauf werfen will.Eine Biografie mit entrücktem Ich.
Titel: Der letzte Zeuge
Autor: Rochus Misch, Sandra Zarrinbal, Burkhard Nachtigall
ISBN: 978-3-492-25735-0
Verlag: Piper Taschenbuch
Seiten: 336

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