Montag, 28. Mai 2018

Tully

Mutter sein ist nicht leicht

Marlo (Charlize Theron) hat zwei Kinder und is hochschwanger mit einem dritten. Zwei Kinder zu wuppen ist machbar, insbesondere wenn sie einen Teil ihrer Zeit im Kindergarten oder der Schule verbringen, aber wenn eines ein nicht näher diagnostiziertes Symptom hat, das selbst im Film bloß als „atypisch“ bezeichnet wird, dann wird das ganze ein bisschen heikler.

Aus Liebe für seine Schwester (und Erfahrung mit seinen eigenen Kindern) schlägt Marlos Bruder ihr vor, für ein nächtliches Kindermädchen zu zahlen. Marlo lehnt rundheraus ab und gebiert ihre zweite Tochter, Mia. Doch hier zeigt sich bereits, das Marlo wenn nicht überfordert, dann doch kurz davor ist. Nach wenigen Wochen nächtlichen Gekreisches, Wickelns, Füttern, und den ständigen Erwartungen ihrer Umgebung erleidet sie einen stillen Zusammenbruch und ringt sich dazu durch, die Nachtnanny anzurufen.

Zuerst ist Marlo von „Tully“ (Mackenzie Davis) nicht begeistert, da sie zu jung und sprunghaft wirkt, um sich um einen Säugling kümmern zu können, doch als Marlo nach der ersten geruhsamen Nacht seit Wochen mit neuem Elan aufsteht und nicht nur eine zufrieden schlafende Tochter, sondern auch noch ein unerwartet aufgeräumtes Haus vorfindet… Anscheinend versteht Tully ihr Werk.



Ich habe schon mehrere Darstellungen von überforderten Müttern gesehen, aber diese sind quasi immer Randfiguren, oder ihr Leid ist in einen größeren Konflikt eingeflochten, welcher die Anforderungen an eine Mutter überschattet. Dies ist bei Tully nicht der Fall.

Es wird aufrichtig mit dem Thema umgegangen. Es wird sehr gut gezeigt, mit was eine frische Mutter, selbst wenn sie schon Kinder und somit Erfahrung mit dieser Phase hat, umgehen muss. Marlo muss für ihren vermutlich im autistischen Spektrum beheimateten Sohn eine neue Schule finden, weil die derzeitige (teure!) Schule nicht weiter auf ihn zugehen will. Der Säugling plärrt unentwegt. Die Nachfolgen der Geburt zehren noch an der Mutter, sowohl körperlich (schlaffe Haut nach der Schwangerschaft, schmerzhaft pralle Brüste, …) als auch geistig (siehe nachgeburtliche Depression).

Dies habe ich wirklich noch nie so gut umgesetzt gesehen. Tully gibt einen Einblick in die Seelenwelt von einem nennenswerten Teil von Müttern, insbesondere wenn man nicht so vermögend ist.



Sehr guter Film.

Titel: Tully

Regisseur: Jason Reitman

Länge: 96 Minuten

Sonntag, 20. Mai 2018

Rampage


Mutierte Riesentiere verwüsten Chicago

In Rampage habe ich mich reingesetzt in der vollen Erwartung: Dies ist Popcornkino, hier muss ich das Hirn ausschalten.

Aus dieser Perspektive hatte ich vollen Erfolg und konnte den Film genießen. Die Explosionen und Zerstörung sind sehr toll auf der Leinwand gebracht worden, es gibt einstürzende Hochhäuser, absurde Monster, was will man mehr.

Doch kommen wir mal zu den Kritikpunkten. Die mutierten Riesentiere wurden mit der im Vergleich zu Realität 20 Jahre früher stattgefunden Erfindung von CRISPR ermöglicht, was pauschal mit Lego-Genetik statt Mutationen übersetzt wurde. Im Sinne von Hollywood ist das nahe genug an der Realität, so wie Mutationen und Atomstrahlen in den 50ern und 60ern die Erklärung der Wahl für solche Absonderlichkeiten war.

Die Realität gestaltet sich wie üblich als wesentlich komplizierter als diese Pauschalisierung. Auch ignoriert der Film solche Dinge wie die Unmöglichkeit derartig riesiger Tiere außerhalb von Wasser, was mit Wachstumshormonen und Genschnipseln von allerhand anderem Getier erklärt wird. Der Wolf kann fliegen und hat Stachelschweinstachel, das Krokodil hat einen Schwanz der eher einem Ankylosaurus mit Thagomizern gleicht, etc.

Mit anderen Worten, allerhand geiler Scheiß, aber genetisch plausibel wären nicht die Worte mit denen ich das beschreiben würde. Schade, oder auch falschversprechend: Der Film hat viel weniger komische Elemente als der Trailer einem verkauft.

Allerdings, wie eben gerade gesagt ist die ganze Zerstörung schon ziemlich imposant anzusehen, was auf jeden Fall Spaß gemacht hat.

„Vorlage“ für den Film war übrigens ein Videospiel aus den 80ern, bei dem man die Kontrolle über einen Gorilla, Dinosaurier oder Werwolf übernahm und haufenweise Städte zerstörte.



Titel: Rampage

Regisseur: Brad Peyton

Länge: 108 Minuten

Samstag, 12. Mai 2018

Light (Kefahuchi-Tract)


Verwirrend und misogyn

Ich have letztens versucht mir Light anzuhören, bin aber kläglich gescheitert. Die Schuld daran liegt aber nicht beim Erzähler – Elfer macht seine Arbeit gut und ist übermittelt das Buch mehr erzählend als vorlesend oder bloß sprechend – sondern bei der Geschichte selbst. Oftmals kommt es zu Traumszenen oder Sprüngen in Figuren und Orten die zwar angekündigt werden, aber insbesondere beim Zuhören nicht so klar zu trennen sind.

Dann wäre da noch die Handlung an sich. Man fragt sich zwangsläufig, was für einen Rochus Harrison auf das weibliche Geschlecht hat, denn fast alle weiblichen Charaktere sind einfach rollig und mannfixiert auf die eine oder andere Weise. Auch wenn ich Harrison spätere Handlungsentwicklungen zugestehe, die das teilweise in ein anderes Licht rücken, so ist es dennoch bedenklich wir verstörend das weibliche Geschlecht hier präsentiert wird.

Beim ersten Drittel habe ich somit gelesen statt gehört, um die plötzlichen Handlungssprünge mitzubekommen und nicht ständig um Minuten zurückzuspringen um zu wissen was jetzt gerade abgeht. Das zweite Drittel habe ich das Hörbuch gehört, das war adäquat. Man muss sich auf Elfers Dialekt einlassen können. Das letzte Drittel dann habe ich parallel gelesen und gehört, und das hat mir am meisten gebracht; das mag aber daran liegen, dass durch das vorangegangene Hören die Erzählung und Charaktere Elfers Interpretationen angenommen hatten und ich diese beim weiteren Lesen nicht missen wollte.

Unterschlagen will ich nicht Harrisons stilistische Schreibfertigkeit; er kann einfach sehr gut und evokativ beschreiben und Metaphern aufsetzen, die sich dem Leser sehr gut darbieten. Gleichermaßen allerdings müssen die oftmals grotesken und verstörenden Sexszenen erwähnt werden, bei denen ich mich stets fragte: Wieso. Was bringt das, hier, für die Erzählung?



Im Großen und Ganzen frage ich mich was für Drogen Harrison genommen hat beim Schreiben dieses Buches, denn die würde ich unbedingt vermeiden wollen.

Titel: Light

Autor: M. John Harrison
Sprecher: Julian Elfer

Sprache: Englisch (schwierig)

Länge: 10:22 Stunden, (100k Wörter)