Mittwoch, 29. Februar 2012

Air Force Blues

Kurzgesagt: Top Gun, bloß ein wenig hirnloser und realistischer, für variierende Werte von realistisch (und hirnlos).

An und für sich ist Air Force Blue, kurz AFBlues, ein Webcomic über den Alltag eines Kampfflugzeugpiloten in seinem Geschwader, der es reihenweise raushängen lässt, sozusagen, dass er eine F-15 fliegt und somit selbstverständlich in der militärischen Nahrungskette ganz oben steht. Ja, das schließt seiner Meinung nach höherrangige Offiziere mit ein.

Im Verlauf des Comics wird der Hauptcharakter, Ken "Barbie" Dahl, auch noch zum Offizier befördert wird, was für Egozentriker nie wirklich gut ist. Sein Nemesis ist der Portepeeträger Coffmann, die beiden verbindet ein Hass-Hass (statt der üblichen Hassliebe), worunter Barbie's Rektum zu leiden hatte, sozusagen.

Womit wir gleich zu einem weiteren Punkt zu stehen kommen, sozusagen, den militärischen Sprachgebrauch und Injokes, welche sich Nichtmilitärischen nicht ohne weiteres erschließen werden. Dabei hat der Autor Farva schon einiges an Zugeständnissen gemacht, wie er bei einem Strip beweist, der für normale Menschen, welche den Aküfi (Abkürzungsfimmel) von Militärs nicht kennen, unleserlich ist.
Genauso werden alle Air-Force-Stereotype persifliert - Barbie ist im Prinzip der Zusammenguss aller Vorurteile über Kampfflugzeugpiloten, es wird über AWACs-Flieger (die Flugzeuge mit dem Rotationskeks auf'm Rücken) hergezogen, der Stützpunktshop verflucht und allgemein links und rechts eingedroschen, wo es nötig ist (also überall).

Es ist schon fast seltsam, dass die Air Force niemanden wegen dieser gewissermaßen Respektlosigkeit in die Mangel genommen hat, aber ich begrüße das. Schließlich muss man ja auch über sich selbst lachen können.

Alles in allem ist der Webcomic recht nett, aber lohnt sich wohl nur wirklich, wenn man selbst dient und daher die vielen Klischees und den Slang kennt.

Titel: Air Force Blues(Link: http://www.afblues.com/wordpress/)

Autor: Farva

Anzahl: hunderte, alle farbig

Zyklus: variabel, ehemals 3-5x pro Woche, z.Z. auf Sparflamme

Sprache: Englisch

Übrigens macht Farva noch ein paar weitere Comics, auch militärisch, aber die müsst ihr selber finden :P

Samstag, 25. Februar 2012

Cheyenne – This Must Be the Place

Sean Penn explodiert.

Neben dem Pfeffer aus der gleichnamigen Region ist Cheyenne auch noch ein in die Jahre gekommener Gothmusiker, der seinen letzten Bühnenauftritt vor zwanzig Jahren hatte und vor dreißig das letzte Mal mit seinem Vater gesprochen hat. Und irgendwie veranlasst der Tod des letzteren ihn dazu, sich auf eine Art Selbstfindungsreise zu begeben.

Doch beginnen wir von vorne...

Der Film beginnt damit, das Leben von Cheyenne zu zeigen, einem verblassten Stern am Musikhimmel, der ein kleines Dutzend Neurosen hat, sich seinem Goth-Stil entsprechend schminkt, in einer Villa mit leerem Pool lebt und an sich im normalen Leben angekommen ist. Seine Tage besteht aus Tiefkühlpizza und seiner Frau, regelmäßigen Besuchen auf dem Friedhof um gestorbenen Fans zu gedenken und Schuldgefühle zu lindern, Einkäufen im Einkaufszentrum und allgemein einem eher bürgerlichen Leben.

Wie sollte es auch anders sein, hat Cheyenne sich doch bereits vor zwanzig Jahren nach dem Selbstmord zweier Fans aus dem Showbusiness zurückgezogen. Seine Freunde sind in etwa genauso skurril wie er – der übergewichtige Arschlochgigolo, oder auch die mit seiner Karriere besser vertraute jugendliche Fannin (oder wie auch immer die weibliche Form von "Fan" lautet).

Als sein Vater im Sterben liegt, macht er sich unverzüglich per Schiff auf (er hat Flugangst) nach Amerika und kommt zu spät (ein Ozeanriese ist nun Mal kein Schnellschiff). Von einem Verwandten erfährt Cheyenne, dass sein Vater Zeit seines Lebens nach seinem Peiniger aus Auschwitz gesucht hat und macht sich auf die Suche nach ihm, anscheinend weil er gerade nichts besseres zu tun hat.

Dies artet in eine Art Roadtrip aus, mit den typischen dazu gehörigen Stilelementen, aber immer im Hinterkopf mit dem Ziel vor Augen, den Nazi ausfindig zu machen.

Dabei trifft er gleichermaßen auf normale wie schräge Vögel – die allein erziehende, im Diner arbeitende Mutter, der künstlerische Tätowierer, ein autoverliebter Yuppie. Und gerade die Interaktion von Cheyenne mit diesen Charakteren macht das ganze so verdammt sehenswert, man will einfach sehen und hören, wie Kopfschuss Cheyenne mit diesen Menschen umgeht.

Der Film ist ein bisschen seltsam, aber ich glaube, dass ich das zu jedem Film sage, von daher sagt das nicht viel. Er wird getragen durch den wunderbar gespielten Cheyenne, der ständig wirkt, als hätte er Methadon geschnieft (er hat Angst vor Spritzen). Dabei ist er wunderbar zitierbar und es wird schnell klar, dass Cheyenne selbst gar nicht so recht weiß, was er mit sich anstellen soll, dass er kein Ziel hat und nicht lebt sondern nur vegetiert. Und während manch ein Mann in seinem Alter in eine Midlifecrisis rutscht und sich eine Porsche oder Geliebte zulegt, lernt Cheyenne mit Verantwortung umzugehen und wie es ist, dreißig Jahren nach der Pubertät erwachsen zu werden.

Ich finde es seltsam, dass ich die deutsche Synchronisation von Cheyenne sogar noch besser finde als das Original, denn in der Übersetzung klingt er noch ein bisschen verlorener als er ohnehin schon ist. Schade, dass die Synchronstudios immer noch nicht auf den Trichter gekommen sind, Akzente wie die von der jüdischen Familie im Original umzusetzen.

Titel: Cheyenne – This Must Be the Place

Regie: Paolo Sorrentino

Länge: 119 Minuten

Mittwoch, 15. Februar 2012

Ed Stories

Ed Stories ist der Titel eine Sammlung von Kurzgeschichten von Sam Hughes, die von den Eskapaden und Erfindungen von Sam und Ed erzählt. Sam erzählt dabei aus der Ich-Perspektive die Handlung, während Ed der Anlass zur selbigen ist, denn Ed ist das, was man im allgemeinen als Bastler bezeichnen würde.
Mit dem Unterschied, das seine Basteleien Hochleistungsteilchenbeschleuniger sprengen oder Ed aus Versehen das Administratorpasswort für unser Universum heraus findet.
Ed seems to have been stamped directly from the comic-book mad scientist mould - last week he raised an Amiga 500 to sentience (although it took us a while to notice; it thinks darned slowly).

Ed schien direkt aus der Form gegossen worden zu sein, die man auch für die verrückten Wissenschaftler aus Comicbooks verwendete - letzte Woche hat er in seinem Amiga 500 eine KI erschaffen (obwohl wir eine weile brauchten um das zu bermerken, diese Teile sind verflixt lahm).
Kurz gesagt, Ed holt gerne die Science Fiction in den Bereich der Realität - in seiner Schublade sind Designs für funktionierende Zeitmaschinen, riesige Roboter und was es sonst noch so alles gibt. Das kommt Sam und Ed sehr gelegen, als just nach der Fertigstellung des Riesenroboters eine Flotte von Außerirdischen über die Erde herfällt und mit gewissem Erfolg durch die beiden zurückgedrängt werden kann. Als das Militär die Invasoren selbst nicht zurückschlagen kann und Ed sein Baby auf eine Spritz- und Zerstörungstour schickt, werden die Lamettaträger mit einem Mal hellhörig und erwerben die Designs.

Die Geschichten sind wie schon gesagt sehr kurz und episodenhaft gehalten, im späteren Verlauf baut Hughes sie allerdings um Handlungsbögen auf. Die Eingangs erwähnten Außerirdischen tauchen wieder auf, die Bedrohung durch sie nimmt zu, und es kommen Zeitreisen ins Spiel.

Gefallen hat mir der legere Ton, mit dem all das geschieht und beschrieben wird, und obgleich es später dramatischer wird, bleibt die Lockerheit irgendwie bestehen. Es liest sich ehrlich gesagt ein bisschen wie Arthur C. Clarke, das gefällt mir. Wer also mit dessen Werken was anfangen kann, wird dem Sam/Ed-Duo wahrscheinlich auch etwas abgewinnen können.

Titel: Ed Stories (http://qntm.org/ed, Everything2.com, Zeitstrahl der Ed Stories)

Autor: Sam Hughes

Länge: 36.000 Worte (abgeschlossen)

Sprache: Englisch (mittel)

Sam Hughes (der Autor) hat noch ein paar andere Geschichten auf seiner Webseite, in welche man problemlos reinschnuppern kann, insbesondere Fine Structures, zu welchen ich bei Gelegenheit noch etwas schreiben werde.

Montag, 6. Februar 2012

Homestuck

Homestuck ist problemlos einer der seltsamsten Webcomics, die ich bisher gelesen habe, und ich habe viele gelesen. Es gibt Zeitschleifen (sowohl offen als auch geschlossen), Weltbedrohungen, Internettrolle, Rollenspielelemente, weit mehr als einen Soundtrack, und allerhand mehr.

Allein die Besetzung erstreckt sich über mehr als ein Dutzend Charaktere, aber keine Bange, der Autor scheut sich nicht, diese mal zu totifizieren. Doch auch darüber muss man sich nicht zu viele Sorgen machen, denn der Tod ist an bestimmte Bedingungen geknüpft. Wodurch man sterben kann? Buntblütige Trolle, einarmige, einäugige, fliegende radioaktive Hunde und cthulhuartige Greuelschrecken, um nur ein paar zu nennen. Und obgleich es an ihnen nicht mangelt, ist noch keiner an schlechten Wortspielen gestorben.

Inhalt

John Egbert freut sich auf seinen dreizehnten Geburtstag, denn an diesem Tag bekommt er Geschenke seiner drei Onlinefreunde Dave, Rose und Jade. Zudem ist es der Tag, an dem die Beta von SBURB ankommen soll, einem mit Vorschusslorbeeren überhäuften Online-Computerspiel. Das Spiel selbst ist auf Gruppenbildung ausgelegt, so dass man mit seinen Freunden gemeinsam spielt und gegenseitig Server füreinander wird. Nachdem sich John an seinem Harlekin-besessenem Vater vorbei geschlichen hat und einigen anderen Problemen, hält er schließlich die CD mit der Client-Version in den Händen, mit welcher er sich bei Rose einloggen kann. Anscheinend ist bei dem Spiel selbst noch kein Spieler überhaupt allzuweit gekommen, da ist der Ehrgeiz natürlich hoch. Da Rose der Server von John ist, kann sie an seinem Haus rumbauen, verschiedene Gegenstände kaufen und platzieren und später andere Gegenstände mittels eines der platzierten Geräte erschaffen. Dies alles kostet aber GRIST (Schrot), und keiner weiß, wie man an dieses Zeug kommt.

Während dessen erwehrt sich im Untergeschoss der Dad von John gegen Monster, die auf der Erde alles andere als üblich sind, von denen John aber noch nicht den Hauch einer Ahnung hat. Und dann wären da noch die Chattrolle, die seit längerer Zeit die vier Kinder belästigen...

Die Dramatik kommt zum Zuge als beim Aufstellen von einem der Geräte ein Countdown startet und sich ein Zusammenhang über all die abgebrochenen Erfahrungsberichte von SBURB mit den Meteoriteneinschlägen in letzter Zeit herauskristallisiert... Die Ziele des Spiels ohne Bedienungsanleitung sollte man anscheinend erfüllen, damit der Clientspieler überlebt, und wahrscheinlich auch für den Serverspieler.

Hintergrund

Ich könnte jetzt problemlos noch 5000 Wörter schreiben und Stück für Stück Homestuck nacherzählen, aber dann würde ich sehr vieles vorweg nehmen. So weit wie ich es bis jetzt beschrieben habe, geht es bis Seite vierhundert (mit unerwähnten Handlungssträngen).

Das mag viel wirken, aber ich gebe euch ein Größenverhältnis dazu, damit ihr euch eine Vorstellung davon machen könnt, was Homestuck umfasst: Über 4000 Seiten, mehrere Stunden Flashanimation und -spiel, über ein Dutzend Musikalben(u.A. Chiptunes, aber auch andere Genre), und viele, viele Handlungsstränge. Ich habe über vier Tage mit stark reduziertem Schlaf benötigt um auf den aktuellen Stand zu kommen, und das Suchtpotential alles auf einmal lesen zu wollen, ist enorm!

Das passiert, wenn ein Mann gerne Comics macht, eine postmoderne Herangehensweise hat und es sich für ihn genug lohnt, um davon leben zu können. Andrew Hussie, der Autor von Homestuck, verbringt überschlagsmäßig 90% seiner Zeit mit Homestuck und schafft es somit, im Schni 4-5 Updates pro Tag herauszubringen, wobei vor bestimmten Terminen (also größeren Updates wie Spielen oder Animationen) mitunter Pausen sind.

Interessant ist der Eindruck, den Homestuck vermittelt: Es ist absichtlich so ausgelegt, als wäre es nicht ein Comic sondern ein Spiel mit Texteingabe wie die frühen Textadventures, bei denen man etwas schreiben konnte und wenn das Programm gut war, diese Eingabe umzugesetzt wurde ("Kombiniere Hund mit Hahn" - "Bravo, du hast einen eierlegenden Huhnd geschaffen!"). Somit ist es also ein Webcomic im Gewand eines Spiels. Später gibt es Passagen, bei denen man wirklich die Kontrolle über einen Charakter übernehmen kann, also wird es ein spielbarer Webcomic im Gewand eines Spiels. Andrew Hussie liebt solche Verwirrungen offensichtlich, denn Homestuck ist voll davon. Die vierte Wand, welche die Geschichte vom Autor bzw. Publikum trennt, wird gelegentlich durchbrochen, es gibt Selbstreferenzen, Rückgriffe und so ziemlich alles, was man im großen Werkzeugkatalog der Postmoderne finden kann.

Aber wie IST es?

Während Homestuck am Anfang ausschließlich witzig ist, teilweise durch die simple Absurdität der durch Scheinspieler gegebenen Texteingaben, wächst die Handlung und fügt auch ernstere Elemente hinzu, ohne dabei die Witzigkeit zu vernachlässigen.

Ich rate euch nur, falls ihr ein Faible für Adventures und Rollenspiele habt, und gute Geschichten nicht aus der Hand legen könnt, konsumiert Homestuck in euren Ferien oder im Urlaub, denn es braucht seine Zeit und das Englisch ist teilweise durch die Verwendung obskurer Begriffe und Kofferworte etwas schwerer zu verstehen.

Titel: Homestuck

Autor: Andrew Hussie

Seiten: über 4000, häufig animierte GIFs, teilweise farbig

Zyklus: 30-40 Seiten/Woche

Sprache: Englisch


Andrew Hussie:
Oh, ich zeichne nicht einfach Homestuck...
ICH BESCHWÖRE DIESE UNERSCHROCKENE FANTASIELANDSCHAFT HERAUF AUS DEN TRÄNEN WEISHEITSMÜDER AUGEN VON FÜNFZIGTAUSEND IMAGINÄREN MAGIERN. MIT VERZAUBERTEM GRÖLEN, GEPLÜNDERT VON EINER GILDE FLEGELHAFTER MYTHISCHER ZWERGE, ZIEHE ICH SCHWERES LEINEN VON DEN BRUMEN DER INSPIRATION. UNERMESSLICHE KNOLLIGE RÄTSELSPINNEN PRESSEN DIE SEIDENEN STRÄNGE REINER LAUNE DURCH DIE SCHEUßLICHEN SPINNDRÜSEN IHRER HINTERLEIBER UND DIESE SIND ES AUS WELCHEN ICH DEN UNVERFRORENEN KOKON EXQUISITER LÜGEN WEBE. UND WENN ES SCHLÜPFT, WIRD EINE GROßE MOTTE DER ERREGUNG ERWACHEN UND BRÜLLEN UND IHRE FLÜGEL SCHLAGEN, UND DAS NIEDERFALLENDE PULVER WIRD DIE HUMORALIEN EINES UNGEHEUERLICHEN ALTEN BETTLERS FESTSETZEN UND SOMIT DEN GEIERHAFTEN, LEDRIGEN KLEMMGRIFF, WELCHEN ER UM DEINEN GEFANGENEN VERSTAND LEGTE, LÖSEN.