Sonntag, 26. Januar 2020

Kipo und die Welt der Wundermonster

V.l.n.r.: musikliebender Benson, in seinen Armen der verpuppte Dave, die namensgebende Kipo, die Überlebende Wolfi
Optimistische Postapokalypse für Kinder

Als ihr Dorf von einem Riesenmutanten angegriffen wird, findet Kipo sich unerwartet auf der Oberfläche wieder. Diese wurde von ein paar hundert Jahren von einer nicht näher genannten Katastrophe unbewohnbar gemacht. Der Mensch ist nicht an mehr die Spitze der Nahrungskette, sondern Mutanten, die erstaunlich wenig mit Menschen gemeinsam haben. Stattdessen sind es meistens seltsam abgewandelte, riesige Tiere, die mitunter intelligent sind und sprechen können. Und eine eigene, fantastische und seltsame Kultur haben.


Kipo schaut auf eine eine mannsgroße Schnecke mit einem Cadillac als Schneckenhaus.Während Kipo sehr gerne die ihr unbekannte Oberwelt erkunden würde, ist ihr ultimatives Ziel zu ihrem Vater zurückzukommen. Dabei trifft sie auf Wolfi, ein junges Mädchen, dass sich die letzten Jahre alleine auf der Oberfläche durchgeschlagen hat und sich dementsprechend verhält – sie ist grobschlächtig, martialisch, und immer in einem Wolfsfell gekleidet. Später kommen Benson und Dave hinzu, ersterer ist ein Junge mit einer Vorliebe für Hiphop und stets auf der Suche danach, seine Kasettensammlung auszubauen, sowie sein bester Kumpfel Dave. Dieser ist ein Mutant, der stetig seine verschiedenen Lebensphasen (Puppe, Larve, „Jugendlich“, Erwachsen, Rentner) durchmacht. Unglücklicherweise wechselt er zwischen seinen Phasen zu den ungünstigsten Zeiten.

Und so machen sich die vier auf die Suche nach einem alternativen Eingang in Kipos Untergrundheimat. Dabei stoßen sie auf eine Vielzahl eigener Kulturen, die teilweise mehr, teils weniger stark von Menschen zu inspiriert scheinen. Es gibt Wissenschaftswölfe, Dubstepbienen, Kolibribomber, Holzfällerkatzen, kurzum: eine vor Fantasie sprühende Welt, die trotz postapokalyptischer Szenerie auf dem metaphorischen Maßstab zwischen Idealismus und Zynismus fest auf der Seite des Idealismus angesiedelt ist. So gibt es beispielsweise eine Wiese, auf der sich haushohe, achtbeinige Megahunde tollen und miteinander spielen, scheinbar ohne eine Sorge in der Welt. 

Das Design der Figuren – zumindest der menschlichen – erinnert mich mit den etwas kantigen Gesichtszügen an die Teen Titans, aber das sage ich wahrscheinlich bloß, weil das mein nächstliegender Referent ist, ich habe aber keine Ahnung, ob es zwischen den Serien irgend eine tatsächliche Überschneidung gibt. Interessanter ist vielmehr, dass die Vorlage der Serie ein mittlerweile depublizierter Webcomic. Und ich sehe gerade, dass Rad Sechrist, der Autor, davor bei verschiedenen Studios als Charakterdesigner und Storyboarder arbeitete. Hm, vielleicht daher? Wie dem auch sei, das ist meiner Erfahrung nach sehr ungewöhnlich.
Der Optimismus der Charaktere ist ansteckend, ihre Charakterisierung solide, und die Welt einfach sehr schön gestaltet, während die Musik die Szenen sehr schön untermalt. Man merkt, dass jemand hier bildliche Ideen hatte, die auch visuell umgesetzt werden mussten.

Kipo steht mit einer Gitarre einem Megamutant gegenüber, der Mega-Affe betrachtet sie fasziniertDie deutsche Übersetzung und Synchronisation durch Hermes Synchron GmbH kamen mir auch recht gut vor, aber nicht herausragend. Auf wenn das jetzt etwas negativ klang, ist das nicht als solches gemeint. Zum Beispiel bin ich sehr davon begeistert, dass die internen Lieder größtenteils übersetzt und gesungen wurden (und wieso sind die nicht auf dem Soundtrack?). Andererseits war ich ein bisschen enttäuscht, dass bei den diversen Wortspielen nicht mal versucht wurde, diese umzusetzen. Bei einigen ist klar, dass sie schwer sind: wie soll man zum Beispiel den Bezug von Scarlemagne (der Charakter hat Narben, also scar, und Karl der Große heißt auf Englisch Charlemagne) auf Deutsch umsetzen? Soll man den Charakter etwa Kerb der Große nennen? Andererseits wären da die kofferwortigen humming bombers, die ganz stumpf als Kolibribomber übersetzt wurden. Da hätte man stattdessen auch Kolibomber nehmen können. Außerdem scheinen die deutsche Synchronisation und die deutschen Untertitel separat übersetzt worden zu sein? Zumindest sind die Untertitel nicht einfach die Texte der Synchronsprecher. Das gibt im Vergleich auf jeden Fall Einblicke in die (möglicherweise) verschiedenen Übersetzer.
Aber ich beschwere mich hier gerade auf hohem Niveau; die Animationen sind flüssig, die Bilder schön anzuschauen, kurzum: mir hat die Serie sehr gut gefallen, so dass ich mich auf eine neue Staffel freue. Wobei ich vom bingen der Serie abrate, dafür ist sie visuell einfach zu schön, man sollte sich schon ein paar Tage geben um die Folgen sacken lassen. 



Daumen hoch, mehr davon.

Titel: Kipo und die Welt der Wundermonster

Schaffer: Radford Sechrist

Länge: 10 Folgen à 24 Minuten (auf Netflix)

Sprache: Englisch, Deutsch

Samstag, 18. Januar 2020

Luna

Hyperkapitalismus und Dynastiendrama

Um die 2050er begann die ausschweifende Besiedlung und Industrialisierung des Mondes durch die sogenannten Fünf Drachen: die Mackenzies, die Suns, die Woronzows, die Asamoahs und die Corta. Diese Familien führten dieses Unternehmung an, und sie bestimmen die Politik und die Gesellschaft auf dem Mond, denn obgleich die Familien miteinander reden, sind sie auch alle in Konkurrenz miteinander.

Die Reihe spielt größtenteils um 2100. In die Welt eingeführt werden wir durch Marina, die sich als erdgeborene Tagelöhnerin auf dem Mond alles verdienen muss: Wasser, Luft, Kohlenstoff, Daten. Diese vier Elemente sind immer im Handel auf dem Mond, und ist das persönliche Konto nicht gedeckt, dann wird einem das betreffende abgedreht. Durch Glück kommt sie an einen Job bei den Cortas als Kellnerin und wird später als muskulöse Erdgeborene Leibwächterin für den Klan. Mit ihr stolpert der Leser durch die Familienpolitik, die politischen Ehen, die Eheverträge, Vertragsbrüche, und sogar durch Duelle auf den Tod.
Sie ist aber nicht die einzige Hauptfigur, sondern bloß die Einführung zu den Cortas, denen wir im Verlauf der Reihe folgen. Mit ihrer Spezialisierung auf 3He-Extraktion aus dem Mondregolith sind sie einer der Drachen und halten mit ihren Lieferungen die Lichter auf der Erde am brennen. Aufgrund ihres brasilianischen Erbes und Hintergrundes (und weil sie der „jüngste“ Drache sind) betrachten die Suns und vor allem die Mackenzies sie abfällig und machen ihnen gerne Claims streitig oder ziehen vor Gericht.

Ich wusste ja schon länger, dass der Mond eine herbe Geliebte ist, aber während Heinlein dies optimistisch darstellt, ist McDonalds Version das pessimistische Zerrbild. In einer durch reinen Kapitalismus beherrschten Welt gibt es keine Sozialsysteme, keine Rechte, keine Polizei, und keine höhere Autorität, auf die man sich berufen könnte, sondern nur Verträge und Schiedsgerichte. Auf dem Mond ist alles käuflich, einschließlich der Leben, denn man lebt immer auf Miete. Die Luft in den eigenen Lungen gehört einem nicht, genauso wenig wie das Wasser in den Zellen – all das hat man von der Lunar Development Corporation (Kapitalgesellschaft zur Mondentwicklung) gemietet.

Wenn man sich aber im Gegenzug die Erde anschaut, die in der Reihe bloß eine Nebenrolle darstellt, dann würde man dort auch nicht unbedingt leben wollen. Multiresistente Krankheiten sind die Norm, der Klimawandel führt regelmäßigen Wetterextremen, und der technologische Fortschritt hinkt mehr als ein Pirat mit Holzbein.

Dem Mond zugutehalten muss man, dass die Spektrumnatur von Sexualität und Geschlechteridentität so anerkannt ist, dass sie gar nicht erklärt wird, sondern einfach als Hintergrund vorhanden ist.



Ich weiß nicht so recht, wie ich die Reihe verorten soll. Die Welt von Luna ist schon ziemlich cool, aber so dystopisch, dass ich trotz des technologischen Fortschritts nicht in ihr Leben würde wollen.

Titel: Luna (bzw. Luna: New Moon), Luna: Wolfsmond (Luna: Wolf Moon), Luna: Drachenmond (Luna: Moon Rising)

Autor: Ian McDonald

Sprache: Deutsch (Heyne), Englisch (Tor)

Länge: 3x 416–449 Seiten

Freitag, 10. Januar 2020

Kaguya-sama: Love is War

Shirogane und Shinomiya stehen sich halb zugewandt, der Kamera halb abgewandt gegenüber, Shirogane hat hält eine Pistole hinter seinem Rücken während Shinomiya eine Bündel Kampfmesser versteckt. Die beiden lächeln sich an.
Wer sich zuerst verliebt, verliert!

Was machen zwei hochbegabte und überstolze Oberschüler, die sich ineinander verguckt haben und die von ihrer Erziehung und Umgebung unter höchsten Ansprüchen stehen? Sie versuchen den jeweils anderen zu einem Liebesgeständnis zu verleiten, denn…

Liebe ist Krieg!

Das ist im wesentlichen der Aufhänger von Kaguya-sama: Love is War. Die namensgebende Kaguya Shinomiya ist Vizepräsidentin des Schülerrates der hochrenommierten Shuchi'in-Schule und Tochter aus hohem Hause. Bei den regelmäßigen Prüfungen schneidet sie immer ganz oben ab. Ihr Gegenstück ist Miyuki Shirogane, Präsident des Schülerrates, der bisher immer den ersten Rang bei den Prüfungen belegt hat, aber aus bescheideneren Verhältnissen stammt.

Für Shinomiya liegt das Problem nicht nur in ihrem Eingeständnis, dass sie Gefühle für ihren Präsidenten hegt, sondern auch darin, dass sie die Erwartungen ihrer Mitschüler an sie als Vize-Präsidentin und Erbin des Riesenkonzerns Shinomiya, erfüllen will und muss. Daher steht es ihr nicht frei, Shirogane ihre Gefühle zu gestehen, geschweige denn nach einem Date zu fragen. In einer ähnlichen Position, aber mit leicht anderen Zwängen, befindet sich Shirogane. Er hat zwar nicht die gesellschaftlichen Erwartungen zu erfüllen, da er aus ,normalem‘ Hause kommt, aber auf ihm lastet die Vorbildfunktion als Schülerratspräsidenten und der Leistungsdruck, in allem schulischen Bester zu sein (auch und insbesondere wenn er kein Talent für das Fach hat). Er kann und will Shinomiya nicht seine Gefühle gestehen, da dies für ihn einer Niederlage gleichkommen würde.

Und aus diesen Widersprüchen ergibt sich die Komik in Kaguga-sama. Die beiden sind Hals über Kopf ineinander verschossen, aber wie es in romantischen Komödien üblich ist, bringen sie die wichtigen Worte und Taten nicht über sich, weil dies eine Niederlage dem anderen gegenüber wäre. Beide sind durch ihre Umgebung so auf ein gegeneinander gebürstet, dass für sie Liebe ein Nullsummenspiel ist.

Damit das ganze kein Kammerstück ist, gibt es natürlich noch weitere Charaktere: die lebenslustige Chika Fujiwara mit Politikerblut und den nerdigen und latent depressiven Yu Ishigami mit fragwürdiger Vergangenheit. Es ist wahrscheinlich, dass in der vor kurzem angekündigten zweiten Staffel Miko Iino auch noch auftreten wird, aber da ich den Manga nicht gelesen habe, kann ich nichts zu ihr sagen.

Die zwölf Folgen spalten sich immer in drei relativ unabhängige Geschichten auf, an deren Ende durch den Erzähler immer entschieden wird, wer die aktuelle ,Schlacht‘ gewonnen hat. Die Geschichten erfüllen oftmals die typischen Erwartungen, die man an einer romantischen Komödie an einer Oberschule stellen kann: ein Schüler fragt um Rat in Sachen Liebe (weder Shirogane noch Shinomiya sind allzu bewandert in dem Thema und versuchen sich durchzumogeln ohne aufzufallen), bei Regen muss sich ein Schirm geteilt werden, das von zuhause mitgebrachte Mittagessen, Besuch von der ausländischen Partnerschule, etc.

Mir gefiel (und gefällt) die Prämisse nach wie vor, wie abhängig man sich von den Erwartungen Anderer macht, und wie sehr diese Erwartungen dem Erlangen von ein bisschen Glücklichkeit im Wege stehen können. Üblicherweise bin ich es von Romcoms gewohnt, dass die beiden Hauptcharaktere es nicht über die Lippen kriegen, weil es ihnen peinlich ist und sie Angst haben, von ihren Mitschülern etc. ausgelacht oder aufgezogen zu werden. Es ist nicht so, dass die Beiden bei Kaguya-sama nicht das gleiche Problem haben, sie haben das, aber es macht Spaß zuzuschauen, wie die Beiden im Prinzip versuchen sich gegenseitig zu verführen, ohne dass es offensichtlich ist, dass sie es versuchen.
Um als Beispiel die Folge mit dem Regenschirm heranzuziehen: Shirogane fährt üblicherweise mit dem Rad zur Schule, aber er wusste, dass es regnen würde, also nahm er die Bahn und einen Klappregenschirm. Als Shinomiya sagt, dass ihr Chauffeur sie den Tag nicht abholen kann, sieht Shirogane seine Chance: er weiß, dass Shinomiya keinen Schirm dabei hat. Doch er muss sie dazu bringen, ihn dazu zu bitten, mit ihm den Schirm zu teilen.
Allerdings hat Shinomiya natürlich einen Schirm mit, weil sie wusste, dass es regnen würde. Und sie vermutet, dass Shirogane das nicht weiß; genauso vermutet sie, dass Shirogane einen Schirm dabei hat, denn er kam ohne Rad (die Fahrradständer sind leer).
Und so folgt man den Argumenten und Gegenargumenten, welche die beiden sich wie in einem Detektivduell an den Kopf werfen, bis Fujiwara ihnen ihren Schirm in die Hand drückt und Shirogane und Shinomiya zusammen in den Regen hinaus schickt.



Also zumindest ich werde mit Vorfreude auf die zweite Staffel warten.

Titel: Kaguya-sama: Love Is War

Regie: Mamoru Hatakeyama
Autor der Vorlage: Aka Akasaka

Länge: 12 Folgen à 24 Minuten (auf Wakanim)

Sprache: Japanisch mit deutschen Untertiteln

Donnerstag, 2. Januar 2020

Girls’ Last Tour

Chi und Yuu auf ihrem Krad. Chi schaut in die Kamera, während Yuu vor sich hin träumt.
Mit der besten Freundin dem Ende entgegen

Girls’ Last Tour ist mir letztens in die Empfehlungen reingerutscht und ich muss sagen: das war gut so. Der Anime hat mir sehr gefallen.

Eine Stadt mit Wohnblöcken erstreckt sich bis zum Horizont; am rechten Rand ragen massive Säulen auf, die eine Ebene über der Stadt tragen, auf der wiederum Wohnblöcke und Gebäude sind. Die setzt sich zwei weitere Ebenen, bis zum oberen Ende des Bildes.
Die entvölkerte, mehrebenige Stadt
Der Hintergrund ist fix erzählt. Chi und Yuu sind zwei Mädels, die durch eine menschenverlassene, postapokalyptische Stadt fahren, immer auf der Suche nach Proviant, Wasser und Treibstoff für ihr Kettenkrad. Dabei erleben sie nicht wirklich Abenteuer, sondern genießen die kleinen Glücksmomente, die sich ihnen auf ihrer Suche anbieten.

Weder für die Beiden noch für den Zuschauer ist es wichtig, was genau diese Stadt entvölkert hat, denn dies ist nicht der Sinn des Anime. Es gibt zwar Hinweise, wie zum Beispiel das Datum und die Bilder im Fotoapparat, aber diese sind nicht der Fokus und auch nicht das Ziel von den Beiden. Statt sich mit einem klassischen Handlungsbogen zu beschäftigen, schaut man Chi und Yuu zu, wie sie ihr Krad durch ein zerfallene, kilometerlange Gebäude steuern und sich ganz nebenbei über dieses und jenes und ihre Umgebung unterhalten. Der Zuschauer (bzw. Leser) folgt den beiden, wie sie sich Stück für Stück ihrem Ziel, die Spitze der Stadt zu erreichen, nähern. Dabei stolpern oder irren sie nicht voller Verzweiflung durch die Stadt, wie man es vielleicht von den (vermutlich) letzten Überlebenden eines Dorfes erwarten würde, sondern suchen scheinbar bloß nebenbei nach Lebensmitteln. Sie scheinen zu wissen, dass sie am Ende ihres Weges nicht wirklich Rettung erwartet und haben sich bereits oder versuchen sich damit abzufinden. Solange Chi und Yuu einander haben, können sie ihr Los ertragen.

Ich glaube, um dieses Werk richtig zu verstehen, sollte ich wohl kurz mal „Mono no Aware“ anschneiden. Dieses japanische Konzept lässt sich als „Der Pathos der Dinge,“ oder auch „Das Herzzerreißende der Dinge“ übersetzen und meint im wesentlichen, dass man sich ob der Vergänglichkeit und Endlichkeit von etwas abfinden muss. Man kann traurig sein, aber es zugleich akzeptieren. Wie sehr man das Licht einer Kerze auch liebt, irgendwann wird sie heruntergebrannt sein. Man mag traurig über dieses Ende sein und mit der Kerze Mitgefühl haben, aber man akzeptiert die Unabwendbarkeit.

Chi und Yuu stehen vor einem Panzer, aus dessen Lauf springbrunnenartig ein klarer Wasserstrahl sprüht; der Zufluss ist ein offenes Rohr oberhalb der Einstiegslucke, aus der Wasser direkt in den Panzer fließt.
Verlassenes Kriegsgerät + Wasser = Springbrunnen
Und genau in diesem Gefühl ist Girls’ Last Tour zuhause. Yuu und Chi wandern durch eine Welt, bei der jeder ihrer Schritte auf Menschenwerk fällt; sie sind umgeben von Lagerhallen und Kriegsgerät, deren Funktionen und Funktionsweisen sich ihnen nicht erschließen, und ihr Interesse daran ist auch beschränkt. Die Serie ist sehr Slice-of-Life, aber halt in einer Welt in welcher die Welt bereits größtenteils untergegangen ist und nur noch ihre Nachwehen durchlebt, bevor sie endgültig den Geist aufgibt.

Dabei sind die beiden Hauptcharaktere gute Gegenspieler. Die schwarzhaarige Chi ist pflichtbewusst und belesen und steuert das Krad, während die blonde und sorglose Yuu auf dessen Ladefläche liegt und sich auf die nächste Mahlzeit freut. Die beiden kümmern sich umeinander, nicht nur weil sie es müssen, sondern auch weil sie es wollen. Sie haben zwar ein diffuses Ziel, die oberste Ebene der Stadt zu erreichen, aber sie haben dieses eher, weil es ein brauchbares denn nützliches Ziel ist. Sie überleben um des Überlebens Willen auf dieser ihrer letzten Tour durch eine längst entvölkerte Welt.

Der Anime basiert übrigens auf der gleichnamigen 6-bändigen Mangareihe von Tsukumizu und setzt gut 2/3 der Vorlage um.

Ich habe das Gefühl, ich kann irgendwie nicht so richtig ausdrücken, was genau mich an der Serie so fasziniert. Ist es die Melancholie? Das postapokalyptische Setting? Das niedliche Charakterdesign? Der schöne Soundtrack? Ich kann es nicht festmachen, ich weiß bloß, dass mir die Serie sehr gut gefällt.
Es schadet auf jeden Fall nicht, dass sie mich in dieser melancholischen Grundstimmung an Hitoshi Ashinanos Yokohama Kaidashi Kikō / Yokohama Shopping Trip erinnert, das zwar auch irgendwie in einer dem Weltuntergang nahen Welt spielt, aber doch auch ganz anders ist.



Eine sehr schöne, melancholische Serie.

Titel: Girls’ Last Tour

Regie: Takaharu Ozaki

Länge: 12 Folgen à 24 Minuten (auf Netflix)

Sprache: Japanisch mit deutschen Untertiteln, Deutsch

PS: Das mit den militärischen Uniformen hat eine bestenfalls nebensächliche Bedeutung.