Mittwoch, 22. Mai 2013

Der Geschmack von Rost und Knochen

Ali trägt Stéphanie auf dem Rücken aus dem Meer

Wie man sich aus Schicksalsschlägen hilft



Ali ist Mitte zwanzig und neuerdings alleinerziehender Vater. Ohne Geld und Plan kommen er und sein fünfjähriger Sohn bei seiner Schwester an der Côte d'Azur unter. Ihre Lage ist als Kassiererin auch nicht gerade rosig, und so sucht Ali sich einen Job als Türsteher. Dabei trifft er Stéphanie, eine lebhafte junge Frau, die als Orca-Trainerin im örtlichen Großraumaquarium arbeitet. Er versucht sie abzuschleppen, hat aber keinen Erfolg.

Stück für Stück arbeitet sich Ali weiter und als Wachmann beginnt ein Kollege ihm einen Fuß in die Welt der Wettkämpfe zu geben – wortwörtlich. Als ehemaliger Boxer hat Ali gefallen an Kämpfen gefunden und trainiert, um bei diese neuen Hobby über Wetten Geld zu verdienen.

Dann kommt von Stéphanie ein Anruf, ob er sich mal mit ihr treffen wolle. Ali stimmt zu und die Treffen wiederholen sich, es bildet sich eine Art Freundschaft. Haken an der Sache: Mittlerweile sind Stéphanies Beine unterhalb der Knie amputiert, sie lebt von ihrer Krankenversicherung und ist, wenn nicht selbstmordgefährdet, dann doch dicht dran und niedergeschlagen.

Ali mit seiner panzerhaften Subtilität kümmert das nicht und zeigt ihr, dass sowas einen nicht vom Leben abhalten muss. Bei ihm selbst ist das Leben aber auch nicht eitel Sonnenschein. Öfters versäumt er seinen Sohn von der Schule abzuholen, und seine jähzornige Ader ist auch nicht gerade ein Erziehungssegen.



Rost und Knochen ist ein französischer Film, dessen Handlung nicht von irgendwelchen Besonderheiten oder Intrigen lebt, sondern von den Menschen und ihren banalen Leben. Eine Karriere wird zerstört, und mit ihr ein Mensch. Bindungsängste, woher sie auch immer kommen mögen, und ihre Konsequenzen. Die Mauer zwischen sich und der Umwelt, zwischen sich und Gefühlen. All dies wird nicht angesprochen, aber thematisiert.

Alis Schwierigkeiten und Frustration darüber, mit seinem Sohn eine Verbindung aufzubauen steht im Gegensatz dazu, wie er sich zwanghaft von jeder tiefergehenden Beziehung fernhält. Stéphanie Sturz in ein tiefes seelisches und persönlich Loch, und wie sie sich mithilfe von Ali da wieder herauszieht, und möglicherweise ein stärkerer Mensch wird als sie es zuvor war. Wie zwei gebrochene Menschen einander stützen können, wie zwei Steinbögen zusammen eine Tür bilden können.

Interessant ist auch, wie der Regisseur verschiedene gesellschaftliche Probleme anspricht: Indirekt, subtil, nicht direkt durch Opfer oder Täter, sondern durch Betroffene und Mittelmänner.



Mir hat Der Geschmack von Rost und Knochen gut gefallen, aber ich kann mir auch vorstellen, dass er manch einem zu nahe gehen kann.

Titel: Der Geschmack von Rost und Knochen

Regie: Jacques Audiard

Länge: 122 Minuten

Was sagt es über mich, dass bei Rost und Knochen mir der Titel reichte, um den Film sehen zu wollen?

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