Montag, 30. Juli 2012

Iris Zero

Erstaunlich tiefe Umdrehung des Kräfte-Konzepts

Vor 27 Jahren fingen Kinder an, mit einer sogenannten Iris geboren zu werden, einer Fähigkeit der Augen, ansonsten unbekannte Informationen zu zeigen. Diese Informationen können ganz unterschiedlich sein – ob eine Person lügt, welche Gefühle sie gerade empfindet, aber auch banales wie was es morgen zum Mittag gibt. Die Kinder nehmen also die Realität mit dem Filter ihres Iris war.

Wurde zuerst nur ein geringer Prozentsatz der Kinder mit einer Iris geboren, so sind es heute fast alle, und die ohne diese Fähigkeit, als Iris Zero bezeichnet, werden von Gleichaltrigen gemobbt, gehänselt und ausgestoßen.

Toru ist einer dieser Iris Zero und Hauptcharakter der Mangareihe.

Im Bewusstsein, dass sein Mangel einer Iris ihn brandmarken würde, entwickelte Toru eine hervorragende Beobachtungsgabe und analytisches Geschick, welche in Kombination ihn befähigten bis zur Grundschule sein Defizit geheimzuhalten mittels einer angeblichen Iris, die ihn die Irisfähigkeit der anderen Kinder feststellen ließ. Dabei schaute er in Wirklichkeit bloß aufmerksam zu und versetzte sich in das entsprechende Kind hinein. Er stellte sich vor, welche Iris das Verhalten in die beobachteten Bahnen lenken würde und wusste dadurch sehr gut über die Befähigungen der anderen Kinder Bescheid.

Bis, eines Tages, die Scharade zu gut funktionierte und er als Iris Zero entlarvt wird.

Mittlerweile ist Toru an der Oberstufe und hat sich mit den Schikanen und Drangsalierungen abgefunden und verfolgt eine Politik der geringsten Aufmerksamkeit. Dies bedeutet sich im Hintergrund zu halten und möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, um den gröbsten Scherereien und Mobbings aus dem Weg zu gehen.

Da geht es ihm gehörig gegen den Strich als Koyuki, ihres Zeichens beliebtestes Mädchen der Schule, in seine Klasse stürmt und mit ihm gehen will. Ihre Worte!

Allerdings bloß nach draußen, nicht im romantischen Sinne. Denn Koyuki hat die Iris, die Tauglichkeit einer Person für bestimmte Aufgaben zu sehen, in diesem Fall den Posten des Schülersprechers. Allerdings hat sie jetzt bereits tagelang nach der passendsten Person gesucht, aber kein positives Signal gesehen, so dass sie die Aufgabenstellung in Richtung "Wer kann mir helfen, die für den Posten tauglichste Person zu finden" geändert hat. Für diese ergab Toru ein positiv, daher ihre Anfrage.

Toru hilft ihr, widerwillig und mit Verzögerung, denn er ist sich der damit verbundenen Aufmerksamkeitssteigerung bewusst. Seine Hilfe ist aber nicht offensichtlich, sondern analytisch und scheinheimlich.

So findet er, zu seinem Leidwesen, einen neuen Freund in Koyuki.

Im Verlauf der ersten Kapitel kommen noch einige Charaktere hinzu, und Toru muss sich wohl oder übel damit abfinden, dass mit dem Bilden einer Clique seine soziale Belichtung zugenommen hat.

Zu dieser Gruppe gehören er (Nichts sehen), Koyuki (Tauglichkeit sehen), Yuki (Lügen sehen), Hijiri (Spoiler ich nicht), und etwas loser angeknüpft noch zwei weitere. Soviel zur Handlung.


Iris Zero greift eine beliebte Thematik, Hauptcharaktere mit nicht weiter erklärten Kräften, auf und dreht die übliche Prämisse auf den Kopf, indem Toru keine besonderen Kräfte hat, sondern die Welt ohne einen Irisfilter sieht. Damit bildet er die Ausnahme und muss sich mit den in Japan aber auch anderen Ländern weit verbreiteten Drangsalierungen, Schikanen und Mobbing von Kindern, die aus der Norm fallen, arrangieren.

Dabei beschreitet er einen logischen und oft auch in der Realität gesehen Weg: unsichtbar bleiben. Allerdings sind Kinder oft grausam und hänseln und schikanieren trotzdem, solange sie designierte Opfer haben. Obwohl dieses Thema nicht der Fokus des Manga ist, taucht es doch immer wieder auf.

Ein weiterer Aspekt sind die Implikationen der verschiedenen Kräfte. Hat ein Kind, dass das morgige Mittagsessen kennt, eine einigermaßen nutzlose Kraft, ist die psychologische Bedeutung gering. Yuki, mit ihrer Fähigkeit Lügen zu erkennen hingegen, hat es schwieriger. Jedes Mal, wenn ihr gegenüber bewusst geheuchelt wird – beispielsweise sozial gefordertes, aber in Wirklichkeit leeres Mitgefühl – sieht sie dies. Es ist ziemlich selbstverständlich, dass Yuki aufgrund ihre Iris sich bevorzugt mit Personen anfreundet, die nicht wegen Trivialem lügen.

Oder ein Charakter, der soziale Etiketten (hässlich, still, beängstigend, Loser, gewalttätig, ...) sieht, also immer die gesellschaftlichen Brandmarken vorgehalten bekommt, wie wird dies sein Verhalten beeinflussen? (siehe hierzu auch Ettikierungssansatz)

Was ich mit all dem sagen will, Iris Zero ist überraschend tiefsinnig, teilweise gesellschaftskritisch und kommt zwar vom Zeichenstil wie ein moderner Oberschulmanga daher, ist aber thematisch nicht so leicht gestrickt.

Leider ist zur Zeit einer der beiden Autoren krank, so dass keine neuen Kapitel erscheinen.

Titel: Iris Zero

Autoren: Piro Shiki und Hotaru Takana

Länge:
min. 6 Bände

Status: laufend, wegen Krankheit unterbrochen

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