Mittwoch, 22. August 2012

Fine Structure

Ein logischer Hintergrund für Weltraumopern, ohne eine zu sein.

Konzipiert als Sammlung von Kurzgeschichten, hat Sam Hughes mit Fine Structure den Hintergrund für eine Welt, wie sie nur weit jenseits von bloßer Science-Fiction beschrieben werden kann, und dennoch ungemein gut zu lesen ist, geschaffen.

Hier einige Einblicke:



1. Jedes Jahr wird eine zufällig gewählte Person auf der Erde von einem Blitz getroffen und erhält Superkräfte.
2. Jeder neue Supermensch ist doppelt so mächtig wie der Vorige.
3. Dies geht so seit zehn Jahren.



Die Grundlagenforschung der Physik mit ihren Quantentheorien und Supersymmetrie, Paralleluniversen und all ihren theoretischen Konstrukten, die zwar möglich, aber nicht nachweisbar sind, stößt bei der Untersuchung einer kleinen, aber unerklärlichen Abweichung auf etwas fundamentales.

Überlichtschnelle Kommunikation ist nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch möglich.

Oder zumindest war sie es, denn alle Experimente schlagen fehl, weil irgendetwas auf der etwas verschobenen Ebene der Realität, durch welche die Kommunikation geht, unser Signal niederbrüllt. Bei der Analyse dieses Brüllens finden die Physiker etwas fundamentales: Mathematik. Logik. Definitionen. Sprache. Ein Skript, welches wie die Voyager-Plakette, in sich selbst den Schlüssel zu seinem eigenen Verstehen birgt.

Und was dieses Skript sagt, ist im wahrsten Sinne des Wortes fantastisch.

Es wird die gesamte, uns bekannte Mathematik und Physik beschrieben.
Leibniz? Check.
Newton? Check.
Einstein? Check.
Hawking? Check.
Weit jenseits von Hawking? Check...?
Das Problem: Alle unsere überaus genauen Theorien decken gerade mal das erste Prozent des Skriptes ab.



Anscheinend gibt es Universen, jenseits des unseren, die mehr als unsere 3+1 Dimensionen kennen. Universen, in denen man sich vor und zurück, nach links und rechts, hoch und runter, aber zudem noch in eine vierte, fünfte oder gar sechste Raumdimension bewegen kann!

Und je mehr Dimensionen ein Universum hat, desto wahrscheinlicher und mächtiger wird Intelligenz.

In einem für uns wortwörtlich unvorstellbaren Universum gibt es eine Art Krieg, obwohl das Wort bei weitem unzureichend beschreibend ist. Eine Waffe, bösartig, quasi-intelligent, ringt mit einem Wesen und die einzige Methode diese Waffe zu bannen, besteht darin, sie ihrer Fähigkeiten zu rauben. Fähigkeiten, die vielen Dimensionen zur Funktion benötigen.

Zu diesem Zweck reißt das Wesen die Waffe mit sich, stürzt hinab und plättet sich gewissermaßen auf 3+1 Dimensionen zusammen, und schafft eine Konstrukt, welches sowohl das Wesen als auch die Waffe daran hindern soll, diese Plätte zu verlassen. Eine intelligente Gefängniszelle, die jeden Versuch der Flucht durch immer striktere Regeln zunichte Macht.



So ziemlich jeder Ort unseres Planeten ist besiedelt, bewohnt, bebaut, bebombt und allgemein belebt gewesen. Irgendwann. Wenn man tief genug gräbt, egal wo, findet man verfallene Tempel, desolate Laboratorien, monolithische Häuser, und andere Nachweise der Zivilisation. Die Welt ist ein dutzend Mal untergegangen, und wieder aufgestanden.



Ich will wirklich nicht zu viel verraten und trotzdem klar machen, wie gut Fine Structure ist.

Es werden weit auseinander liegende Geschichten erzählt, die jede für sich bereits ungemein interessant ist. Der konkrete Zusammenhang zwischen dem Skript, den Supermenschen und allen anderen Handlungssträngen ist nicht offensichtlich, zumindest nicht zuerst, und auch im späteren Verlauf muss man mitdenken und mitunter anhalten, um alles zu begreifen und zu durchdenken.

Sam Hughes weiß darum, und sieht es als Problem, welches durch eine Überarbeitung zu lösen gilt, aber dies ist vorerst von geringer Priorität. Er weiß, obwohl die Sprache verständlich ist, die Thematik ist es nicht, und sie besser zu erklären hat er sich für eine Überarbeitung vorgenommen.

So ist man für ein tiefergründiges Verständnis auf das FAQ angewiesen, in welchem die Leserkommentare zusammengefasst beantwortet wurden. Übrigens sollte man diese bei den einzelnen Kurzgeschichten allerdings meiden zu lesen, denn es gibt zwar eine empfohlene Lesereihenfolge, aber die Kommentare nehmen auch Bezüge auf noch folgende Geschehnisse.

Nur so als Hinweis, es lohnt sich ein zweites Lesen, nicht nur fürs Verständnis, sondern auch aufgrund mehrerer gut ausgeführter Entwicklungen in der späteren Handlung, die ein anderes Licht auf Ereignisse am Anfang werfen.

So bleibt nur zu sagen, wer sich über softe Science-Fiction aufregt, sollte sich mal Fine Structure durchlesen, denn die Geschichten bieten mit wunderschöner Begeisterung eine harte Grundlage für weiche Science-Fiction (nur eine Interpretation).

Titel: Fine Structure

Autor: Sam Hughes

Länge: etwa 600 Seiten

Sprache: Englisch

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