Samstag, 9. Juni 2012

God Bless America

Überdruss der Verdummung und Ellenbogengesellschaft + todkrank = Tod den Arschlöchern

Frank hat Kopfschmerzen. Seine Frau hat ihn verlassen, seine Tochter will keine Zeit mit ihm verbringen, seinem Job ist er gleichgültig gegenüber und die allgegenwärtige Kultur des ungehobelten Arsch-Seins kotzt. ihn. an.

Und so darbt er in seiner Wohnung, seine Nachbarn unfähig ihrem Balg gegenüber Rückgrat zu zeigen, in Schlaflosigkeit vor dem Fernseher. Er schaltet durch dutzende Sendungen von hirnlosen, geschmacksfreien, teilweise Brechreiz induzierenden Sendungen – Anspielungen auf die amerikanische Vorlage zu Deutschland sucht den Superstar, American Idol, keifende Models, Jackass, schwuchtelnhassende Prediger, Pfurzklingeltonwerbung, Bill O'Reilly – und schläft über eine Reportage über Charles Whitman, den Amokläufer von 1966, ein.

So hat er seine kleinen Fantasien, wie sie jeder wohl mal hat, in denen er seinen Arbeitskollegen zukommen lässt, was ihnen gebührt. Blei. Falls das nicht klar war, Hochgeschwindigkeitsblei, aus einer Handfeuerwaffe. Bei einer Unterhaltung mit seinem Zellennachbarn Tischkollegen versucht Frank seinen Standpunkt klar zu machen. Es wird belohnt, auf anderen rumzuhacken, niemand ist mehr nett oder freundlich, es gibt eine Kultur des Arsch-seins, und die Antwort folgt auf dem Fuße: Er sollte sich mal entspannen. Anschließend wird er gefeuert, weil er der Empfangsdame aus Freundlichkeit Blumen geschickt hat. Und natürlich sind die Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit laut seinem Arzt in einem Tumor begründet.

Am gleichen Abend, bei einer Sendung über Vorstadtkinder und ihre hochbedeutenden 16ten Geburtstage, ist das stetig füllende Fass des Überdrusses kurz vorm Überlaufen. Chloe, Fokus der aktuellen Sendung, macht ihren Vater runter, macht ihre Mutter runter und kriegt bald einen Heulkrampf, weil das Coupé, welches Chloes Vater ihr schenkt, kein Escalade (ein Großstadtjeep) ist. Als seine siebenjährigen Tochter anruft und herumtobt, weil ihre Mutter statt eines iPhones ihr ein Blackberry gekauft hat, fasst Frank einen Entschluss.

Er nimmt sich seine Pistole, schiebt sie sich in den Rachen und kurz vorm Abdrücken kommt er auf die Tontaste des Fernseher, wo Chloe wieder eine Tirade ablässt. Franks Fokus ändert sich.

Ein kurzer Diebstahl, eine Nacht durchfahren und eine Kugel später wird Chloe niemandem mehr auf die Nerven fallen. Nun hat Frank Zeit, sich umzubringen. Dachte er.

Eine Zeugin seiner Tat, Roxy, macht ihn ausfindig und – absurd wie es ist – freut sich über seinen Mord und wünschte, sie hätte ihn aus der Nähe gesehen. Na ja, da Frank sowieso sein Hirn als Wandfarbe benutzen will, kann sie genausogut zuschauen. Bis Roxy einen Einwand bringt, nämlich dass er bloß als einer in den Nachrichten auftauchen würde, der eine Mindejährige gestalkt und aus Eifersucht oder ähnlich banalem Grund umgebracht hat. Dabei hat er sie getötet, weil sie nicht nett war. Und sie argumentiert weiter, wenn es so viele schreckliche Leute auf der Welt gibt, deren Ableben eine Bereicherung wäre, wieso sollte er jetzt damit aufhören?

Und so machen sie Roxy und Frank auf, den Ärschen Manieren beizubringen. Aus Rücksichtslosigkeit auf zwei Parkplätzen parken? BÄM! Im Kino mit Popkorn werfen? BÄM! Schwuchtelhass predigen? BÄM!

So finden das ungleiche Paar sich in einer Freundschaft wieder und lernt sich über eine Reihe von Morden kennen.

Ohne zu viel verraten zu wollen, mir hat der Film gefallen. Die Gewalt ist witzig und mal ehrlich, wer sieht Ärsche nicht gerne leiden? Die Ziele sind nicht böse, zumindest per se, aber irgendwie erscheinen wie die Auswüchse einer Ellenbogenkultur, eine Kondensation xenophober Selbstgerechtigkeit. Die Leute, die über geistig Minderbemittelte lachen, sich über sie lustig machen. Die Rücksichtslosen. Die Uneinsichtigen. Die Empathieenterbten. So sind sie durchweg Asympathieträger. Man mag mit manchen ihrer Ansichten übereinstimmen, aber Frank hatte recht als er fragte, "Müssen sie dabei so gemein sein?"

So beklagt God Bless America den Verlust der Zivilisiertheit in der Zivilisation auf dem Weg einer schwarzhumorigen Komödie, die in einem unerwarteten Finale gipfelt.


Wirklich schade, dass der Film nicht in Deutschland veröffentlicht wurde.

Titel: God Bless America

Regie: Bobcat Goldthwait

Länge: 104 Minuten

Nachtrag: Das Problem beginnt, wenn man Sympathie mit Frank und Roxy entwickelt. Wie würde sich der Film gestalten, wenn statt Hassprediger Hippies getötet, statt Schwuchtelhassern Abtreibungsgegner überfahren werden würden? So bleibt der fahle Nachgeschmack von Nachvollziehbarkeit für die Mordserie von offensichtlich gestörten Personen.

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