Samstag, 26. Mai 2012

Chronicle

Chhhrrruuuuush

Soso, unvermittelt hast du Superkräfte, aber wie verhältst du dich?

Andrew, dessen Cousin Matt und zukünftiger Schulsprecher Steve besuchen die gleiche Highschool in Seattle und sind recht unterschiedliche Arten Mensch.

Andrew ist das, was Ärsche Coole als "Opfer" bezeichnen, also leicht zu schikanieren, seltsam und wehrlos. Dass er sich erst vor kurzem eine Videokamera gekauft hat, stößt bei seinem trinkenden Vater auf aggressive Liebe,

Matt ist Andrews Cousin und scheinbarer Zwangskumpel – er passt auf ihn auf und fährt mit ihm zur Schule, lädt ihn auf Parties ein, damit Andrew sich mal unter die Leute mischt, aber so richtig befreundet sind sie nicht.

Steve ist der charismatischste der Drei, und hat mit ihnen an sich nicht viel zu tun. Sein Ziel ist in die Politik zu gehen, und man würde sich nicht wundern, wenn er es dort relativ weit bringen würde.

Doch wie finden diese ungleichen Typen, deren einzige Gemeinsamkeit ihre Schule ist, zueinander?

Nun, auf einer Feier, zu der Andrew von Matt geschleppt wurde und die auch Steve besucht, finden die letzteren beiden ein tiefes Loch im Boden. Eher unfreiwillig kommt Andrew bei der Erkundungstour der beiden mit, da sein steter Begleiter, die Kamera, einen Scheinwerfer hat. Tief in der Höhle finden sie eine Kritallstruktur, und die Kamera fängt an rumzuspinnen, während der Boden immer wieder rüttelt...

Und wie es kommen muss, alle drei fliehen Hals über Kopf aus der hinter ihnen zusammenstürzenden Höhle.

Schon bald stellen sie fest, irgend etwas stimmt nicht. Jeder von ihnen kann mittels Gedanken Dinge bewegen. Der eine mehr, der andere genauer, aber alle drei können es. Und scheinbar lässt sich diese Fähigkeit trainieren...

Also spielen sie ein bisschen damit rum, spielen Streiche, immer mit der treuen Kamera, die alles aufnimmt. Wir bekommen Einblick in die Welt von Andrew, die sich entwickelnde Freundschaft im Trio, Andrews trauriges Familienleben.

Als bei einem ihrer Streiche beinahe ein Mensch stirbt, sieht sich Matt gezwungen Regeln aufzustellen, die allein schon der gesunde Menschenverstand gebieten sollte. Hier offenbart sich langsam Andres Instabilität – jahrelange Misshandlung (nicht solche, soweit man sehen kann) durch seinen Vater, seine Mutter, scheinbar die einzige Person, die Andrew mit Liebe und Entgegenkommen behandelt, liegt im sterben, die stete Kamera als Wand zwischen sich und der Realität – denn er sieht zwar die Logik, will sich aber nichts mehr befehlen lassen.

Und so kommt es Stück für Stück wie es kommen muss. Zwar bekommt Andrew einen Hoffnungsschimmer, als er bei einem Talentwettbewerb der Schule durch seine Kräfte (und Steves mitwissende Moderation) groß absahnt, aber anschließend geht es steil bergab.

Steve, quasi das Gewissen des Trios, das Über-Ich, kommt in einem Sturm ums Leben, als er Andrew zur Rede stellen will, in Umständen die nicht klar sind. War es Andrew, das Id, die wilde Seite der Drei, oder bloß ein meteorologischer Zufall?

Als der Gesundheitszustand seiner Mutter schlimmer wird, sieht sich Andrew dazu gezwungen, seine Kräfte zur Geldbeschaffung (Ein Hussa! für private Gesundheitssysteme!) einzusetzen, und es wird nur schlimmer...

Chronicle, ich ignoriere den offiziellen Untertitel weil er zu verratend ist, ist ein guter Film, denn er erzählt vieles mit dem gleichen Strang. So ist es eine Geschichte über die Reifung, über das Erwachsenwerden von Andrew. Oder es ist die mitfühlende – glaubwürdige! – Herkunftsgeschichte eines klassischen Superschurken, noch um Ecken besser als es Unbreakable war. Die Konflikte und die Häme, denen ein Jugendlicher am Grund des schulsozialen Spektrums ausgesetzt ist und wohin es führen kann. Man denke an Essen oder Columbine und stelle sich das ganze mit Superkräften vor. So zeigt Chronicle keine Bosheit um der Bosheit willen, sondern einen Jugendlichen am Rand, und den Terror, den sein anschließender Absturz verursachen kann.

Stilistisch beschreitet der Film einen interessanten Pfad – eine der ersten Fertigkeiten, die Andrew perfektioniert, ist stets eine Kamera um sich schweben zu lassen, wenn er die Gelegenheit dazu hat. Wir sehen also (quasi) immer die Handlung durch Kameras: Andrews, Matts, die von Journalisten, Sicherheits-/Überwachungskameras, Helmkameras von Polizisten. Schlussendlich sogar die Handys von darminignoranten Touristen, die das Spektakel filmen anstatt sich aus dem Staub zu machen.

Teilweise wackelt dabei die Kamera, wenn sie von einem Menschen geführt wird, aber nur wenig, und durch die schwebenden Kameras im späteren Verlauf ist auch das hinfällig, so dass es einem wieder wie eine normale Kameraführung vorkommt.

Mir kamen beim Film und Verlauf der Handlung unfreiwillig zwei Parallel ins Hirn geschossen: Andrew ist Tetsuo aus Akira und Anakin aus Star Wars: Episode III. Sowohl vom Verhalten, als auch dem Hintergrund der Charaktere hat Andrew gewisse Ähnlichkeiten zu beiden.

Schlussendlich hat mir der Film gefallen. Wie das bei euch sein wird, weiß ich nicht, aber ich fand die Erzählung, den Handlungsaufbau und alles allgemein sehr ansprechend.

Titel: Chronicle – Wozu bist du fähig?

Regisseur: Josh Trank

Länge: 83 Minuten

1 Kommentar:

Molloy hat gesagt…

Mir kam beim Lesen noch eine viel deutlichere Parallele: Der Comic "Irredeemable".

In weiten Teilen ähneln sich die Handlungsstränge, aber im Gegensatz zum Film ist der Comic ausgeartet und es wurden sinnlose Haken, Ösen, Explosionen, etc. in die Story eingearbeitet, die das ganze elendig in die Länge gezogen haben.

Chronicle hingegen liest sich so, als würde der Film das moralische Dilemma knackig auf den Punkt bringen.