Samstag, 26. August 2017

Strong Female Protagonist


Name ist Programm

Im Verlauf der letzten Jahre, um nicht zu sagen Jahrzehnte, hat sich ein Bedürfnis in mir herauskristallisiert: tiefgreifende Charakterisierung von handelnden Personen mit glaubwürdigen und nachvollziehbaren Motiven. Dieses Bedürfnis ist es, welches mich Serien wie Firefly so sehr wertschätzen lässt, denn ich dürste nach nachvollziehbaren Charakteren durch die Bank weg, nicht bloß in ein, zwei Hauptcharakteren und dem Rest als Pappfiguren.

In diesem Sinne ist Strong Female Protagonist auf dem richtigen Weg. Die Handlung folgt Alison, einer ehemaligen Superheldin, die vor laufender Kamera ihre Maske abgenommen hatte und nur noch ein relativ normales Leben führen will. Sie besucht eine Hochschule, studiert Politik und Soziologie, und arbeitet nebenbei bei der Feuerwehr.

Allerdings lässt ihre Vergangenheit sie nicht in Ruhe. Superhelden sind nämlich erst seit wenigen Jahren überhaupt ein Ding, und aufgrund der Umstände ihrer Entstehung ist keiner älter als Anfang zwanzig. Es gibt keine ältere und weisere Generation, die den Sprösslingen den Weg weisen kann; die Gesetzgebung hinkt immer noch hinter der veränderten Ausgangslage hinterher, und das übliche Superhelden-Superschurken-Schema wurde von den Kindern mit Superkräften bloß aufgegriffen, weil es vorhanden und im Vordergrund war. In anderen Kulturkreisen gibt es auch Superkräfte, aber das Auftreten von dermaßen ausgestatteten Personen folgt nicht dem gleichen Muster wie in den USA.

Der Webcomic beschäftigt sich sehr mit den alltäglichen und sekundären, ja ich möchte sagen vernachlässigten Aspekten typischer Superheldenuniversen. So gibt es viele Jugendliche, deren Superkräfte sie offensichtlich umgestaltet haben; das reicht von einfach blauer Haut über anthropomorphe tierähnliche Gestalt hin zu vollkommener Körperlosigkeit. Alison gehört nicht dazu, und ihre Kräfte sind effektiv auf Superman-Niveau, d.h. ihr kann keiner wirklich das Wasser reichen.

Alison: "Bullshit, You’re one of the Guardians. I went berserk a few months back, and they didn’t arrest me." – "That has nothing to do with being a Guardian, Al! They can’t do anything to you!. The rationalise reasons that you shouldn’t be in jail to make it okay that they can’t put you in jail! That’s how they do things. They make reasons for things to be okay the way they are.
Demaskierung ist nicht so einfach für andere
Aufgrund dieser Position und Kräfte hatte sie überhaupt das Privileg sich demaskieren zu können ohne allzu negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Niemand konnte ihr wirklich was anhaben, da sie quasi der größte Fisch im Teich ist, und sie könnte sich, theoretisch, ohne Schwierigkeiten in die Gesellschaft integrieren.

Nicht nur wegen ihres Studiums sondern auch dank persönlicher Interessen ist Alison sich über diese Probleme bewusst und scheut nicht davor zurück, sich diesen zu stellen, oder auch andere zur Rede zu stellen. Soziale Gerechtigkeit liegt ihr am Herzen, und sie erkennt an, dass sie bloß eine Person ist, und dass Gerechtigkeit und gesellschaftliche Prinzipien und Veränderung nur von vielen herbeigeführt werden können, nicht von einigen wenigen, denen die Natur Holzhammer in die Wiege gelegt hat.

Der einzige Wermutstropfen in meinen Augen war die etwas linkisch ausgeführte romantische Nebenhandlung.

Professor: "You are the freest being they’ve ever met, and I doubt they’ll ever forgive you for it. It may be right for you to address the injury you have caused. But no matter what you do, this person may still hate you. Truth be told, I’ve never known what to do with freedom. A goddess worshipped by slave and master alike. And it seems obvious which of her acolytes she favours more. I have always suspected she was Power, by a different name."
Achtung: Hirnzellen helfen hier
Und eine Warnung, falls das noch nicht ausreichend klar geworden ist bisher, Strong Female Protagonist verwendet sehr viel Zeit auf Charakterisierung und die Erkundung von Ideen und Konzepten, sowohl im übertragenen als auch praktischeren Sinne. So gibt es zum Beispiel eine mehrere Seiten spannende Szene zwischen Alison und ihrem Ethik-Professor, bei dem beide eine halb-monologe Argumentation mit sich selbst halten, in derer sie ihre Standpunkte dem anderen, aber auch sich selbst klar machen.



Sehr guter, aber auch sehr eigener Webcomic.

Titel: Strong Female Protagonist (URL: https://strongfemaleprotagonist.com)

Autor: Brennan Lee Mulligan

Status: laufend, ca 2x die Woche

Sprache: Englisch (normal)

Länge: >500 Seiten, die ersten 240 Seiten schwarz-weiß, ab Kapitel 5 durchgehend farbig

Keine Kommentare: