Mittwoch, 19. Februar 2020

Flüstern des Meeres – Ocean Waves

Ein merkwürdiger Ghibli

Flüstern des Meeres ist der für mich unerwartetste Ghibli, den ich bisher gesehen habe, vielleicht mit Ausnahme von Tränen der Erinnerung.
Ich denke, der Grund dafür liegt darin, dass quasi alle anderen Filme aus dem Hause Ghibli fantastische Elemente haben, welche die Geschichte zumindest erweitern, wenn sie nicht direkt in einer märchenhaften Welt spielen. Oder vielleicht liegt es in dem anderen kreativen Team begründet? Wer weiß…

Yutaka und Taku schauen entspannt in die Ferne
Flüstern des Meeres ist hier ganz anders. Hier wird die Geschichte (und Vorgeschichte) von Taku erzählt, wie er zu einem Klassentreffen geht und dabei über die vergangenen Jahre nachdenkt. In vorderster Front seiner Gedanken befinden sich dabei sein bester Freund aus der Zeit, Yutaka, und die neu zugezogene Mitschülerin, Rikako. Mit seinem Freund hat er sich schon seit der Mittelschule gut verstanden, aber als Rikako an die Schule kam, wurde alles komplizierter.

Sie war schön, gebildet, sportlich, weltlich (weil aus Tokio, während die Schulszenen alle in der Provinz spielen), ganz im Gegenteil zu allen anderen Mädchen, die Yutaka und Taku kannten. Da kommt es natürlich, wie es kommen muss, und Yutaka verguckt sich in sie. 

Problematisch wird es natürlich, als Rikako immer wieder Sachen mit Taku unternimmt…

Ich pauschalisiere hier natürlich, es ist bei weitem nicht so klischeehaft, wie ich es hier darstelle. Rikako ist nicht glücklich in der Provinz, und aufgrund ihres Auftretens wird sie, ganz nach dem Leitspruch „Der herausstehende Nagel wird eingeschlagen“, von ihren Klassenkameradinnen behandelt. 

RikakoVielmehr geht es vielleicht darum, ein Gefühl einzufangen. Als Jugendlicher macht man sich Sorgen über Dinge, über die man als Erwachsener nur ein paar Jahre später einfach nur die Hände zusammenschlagen kann. So wichtig wie sich diese Dinge für uns zu der Zeit darstellen, sind sie nicht immer, wenn nicht sogar bloß selten. Der Herzschmerz der ersten Liebe – und der ersten Zurückweisung – ist zerschmetternd, aber nur ein paar Jahre später grinst man mitunter darüber. Nicht, weil es nicht wehgetan hat, sondern weil man einsieht, dass dieser Schmerz ein weiterer Schritt im Erwachsenwerden war. 
Drama als Jugendlicher ist in der einen oder anderen Weise allgegenwärtig, aber selten allwichtig.

Vielleicht ist Flüstern des Meeres aber auch nur ein Spiegel, den die Macher gerne ihren jugendlichen Selbsts vorgehalten hätten, auf dass diese lernen, ihre Glück wertzuschätzen. Selten hat man nach der Schule die Möglichkeit, spontan eine Reise mit dem begehrten Geschlecht zu machen, ohne diese lange planen zu müssen; selten ist man so sorglos wie in jenen Tagen, in denen die Grundbedürfnisse durch die Eltern gedeckt sind. 

Oder vielleicht habe ich durch den Film auch bloß mal wieder gemerkt, wie alt ich bin.

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Regie: Tomomi Mochizuki

Länge: 72 Minuten

Sprache: Japanisch, Deutsch (Netflix)

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