Samstag, 18. Januar 2020

Luna

Hyperkapitalismus und Dynastiendrama

Um die 2050er begann die ausschweifende Besiedlung und Industrialisierung des Mondes durch die sogenannten Fünf Drachen: die Mackenzies, die Suns, die Woronzows, die Asamoahs und die Corta. Diese Familien führten dieses Unternehmung an, und sie bestimmen die Politik und die Gesellschaft auf dem Mond, denn obgleich die Familien miteinander reden, sind sie auch alle in Konkurrenz miteinander.

Die Reihe spielt größtenteils um 2100. In die Welt eingeführt werden wir durch Marina, die sich als erdgeborene Tagelöhnerin auf dem Mond alles verdienen muss: Wasser, Luft, Kohlenstoff, Daten. Diese vier Elemente sind immer im Handel auf dem Mond, und ist das persönliche Konto nicht gedeckt, dann wird einem das betreffende abgedreht. Durch Glück kommt sie an einen Job bei den Cortas als Kellnerin und wird später als muskulöse Erdgeborene Leibwächterin für den Klan. Mit ihr stolpert der Leser durch die Familienpolitik, die politischen Ehen, die Eheverträge, Vertragsbrüche, und sogar durch Duelle auf den Tod.
Sie ist aber nicht die einzige Hauptfigur, sondern bloß die Einführung zu den Cortas, denen wir im Verlauf der Reihe folgen. Mit ihrer Spezialisierung auf 3He-Extraktion aus dem Mondregolith sind sie einer der Drachen und halten mit ihren Lieferungen die Lichter auf der Erde am brennen. Aufgrund ihres brasilianischen Erbes und Hintergrundes (und weil sie der „jüngste“ Drache sind) betrachten die Suns und vor allem die Mackenzies sie abfällig und machen ihnen gerne Claims streitig oder ziehen vor Gericht.

Ich wusste ja schon länger, dass der Mond eine herbe Geliebte ist, aber während Heinlein dies optimistisch darstellt, ist McDonalds Version das pessimistische Zerrbild. In einer durch reinen Kapitalismus beherrschten Welt gibt es keine Sozialsysteme, keine Rechte, keine Polizei, und keine höhere Autorität, auf die man sich berufen könnte, sondern nur Verträge und Schiedsgerichte. Auf dem Mond ist alles käuflich, einschließlich der Leben, denn man lebt immer auf Miete. Die Luft in den eigenen Lungen gehört einem nicht, genauso wenig wie das Wasser in den Zellen – all das hat man von der Lunar Development Corporation (Kapitalgesellschaft zur Mondentwicklung) gemietet.

Wenn man sich aber im Gegenzug die Erde anschaut, die in der Reihe bloß eine Nebenrolle darstellt, dann würde man dort auch nicht unbedingt leben wollen. Multiresistente Krankheiten sind die Norm, der Klimawandel führt regelmäßigen Wetterextremen, und der technologische Fortschritt hinkt mehr als ein Pirat mit Holzbein.

Dem Mond zugutehalten muss man, dass die Spektrumnatur von Sexualität und Geschlechteridentität so anerkannt ist, dass sie gar nicht erklärt wird, sondern einfach als Hintergrund vorhanden ist.



Ich weiß nicht so recht, wie ich die Reihe verorten soll. Die Welt von Luna ist schon ziemlich cool, aber so dystopisch, dass ich trotz des technologischen Fortschritts nicht in ihr Leben würde wollen.

Titel: Luna (bzw. Luna: New Moon), Luna: Wolfsmond (Luna: Wolf Moon), Luna: Drachenmond (Luna: Moon Rising)

Autor: Ian McDonald

Sprache: Deutsch (Heyne), Englisch (Tor)

Länge: 3x 416–449 Seiten

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