Montag, 9. Dezember 2019

Summerland

Grauer Vordergrund auf gelbem Hintergrund, an der Schnittkante in mittler Entfernung sind vier graue Silhuetten unterschiedlicher Statur und Bekleidung, eine davon weiblich (Rock statt Mantel). Von den 4 Figuren gehen weiß gezackte Strahlen aus, die die Form von Häusern imitieren.
Spionagethriller im Leben nach dem Tod.

Summerland ist ein seltsames Buch. Mir wurde es empfohlen als, und ich zitiere hier: „Es gibt ein Leben nach dem Tod und die Briten haben es kolonialisiert.“ Leider war ich durch The Salvation War bereits für ein derartiges Szenario vorgeprägt und hatte hohe Erwartungen, die nicht erfüllt wurden, was meinen Genuss des Buches etwas geschmälert hat.

Die eigentliche Prämisse ist, dass gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein gewisses ,Leben nach dem Tod‘ entdeckt und erforscht wird. In diesem ist vieles vergänglicher und auf Gedankenformen und dergleichen basierend im Verhältnis zu unserer Welt. Um ein Gleichnis aufzumachen, die Realität wie wir sie kennen überlappt sich räumlich mit dem Jenseits so wie die Titelseite eines Buches sich mit allen anderen Seiten überlappt. Das Jenseits befindet sich größtenteils auf den paar hundert Seiten im Mittelteil dieses Buches und es kostet Energie sich der Titelseite anzunähern. Und im Umkehrschluss ist es energetisch einfach in das Nachwort zu fallen ist, aber der Aufstieg kostet wieder Energie.

Vor diesem Hintergrund findet die Handlung in einem abgewandelten Europa der ca. 1930er statt. Russland wird von einem auf Lenins Geist basierendem Etwas gesteuert und die Kommunisten streben nach wie vor die Befreiung der Welt von der Jochschaft des Kapitalismus und Imperialismus an, verkörpert hier durch das Vereinte Königreich. Beide Weltmächte (die USA werden bestenfalls in Nebensätzen erwähnt) liefern sich Kämpfe in dunklen Gassen, es gibt Agenten, Doppelagenten, Trippelagenten, Unterwanderung und Maulwürfe auf beiden Seiten.

Die Hauptfigur ist Rachel, ihres Zeichens Betreuerin eines russischen Überläufers, eine Position die sich mühsam und gegen Widerstand des Establishments erstreiten musste. Natürlich gehen Dinge schief und Rachel wird verstrickt in Ränkespiele der Mächtigen, muss einen Maulwurf enttarnen, und sich dabei noch –als fürsorgliche Gattin natürlich – um ihren von posttraumatischer Belastungsstörung geplagten Ehemann kümmern.
”The windmill you’re tilting at is very high and ancient and English: privilege.“
Was ich interessant fand, war die mittlerweile eingezogene Gleichgültigkeit über die Gewissheit, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Zumindest im britischen Jenseits gibt es Anstellungen und Rente, man kann sich seinen Zugang zum Jenseits kaufen und der Transit, der mit dem unwiderruflichen Tod des Körpers einhergeht, kann und darf problemlos vor dem natürlichen Tod eintreten. Genauso gibt es keinen Zwang zum Jenseits – prägt man sich kein Ticket ein, geht die Essenz der Seele auf der anderen Seite innerhalb von Stunden bis Tagen verloren.

Dieser letzte Aspekt erinnert mich, jetzt wo ich darüber nachdenke, an eine Szene aus David Brins Copy / Kiln People. Welche genau würde aber zu viel über die Handlung verraten, deswegen will ich gar nicht mehr dazu sagen. Ansonsten könnte man Summerland noch als Steampunk verorten, denn es gibt Telefone ins Jenseits und ähnliche, realitätsübergreifende Technologien, die mit vorcomputerlichen Methoden funktionieren. Oder vielleicht auch Ghostpunk, wenn es das denn gibt.

Sehr amüsant ist auch noch, dass einer der Nebenfiguren wirklich sehr stark an Winston Churchill angelehnt ist, und dass die Sprache des Settings durchaus Einzüge von Pulp- und Groschenromanen hat (Ectotank / Ektopanzer, Ectophone, etc.). Negativ, aber für seine Zeit akkurat ist natürlich die Behandlung von und Erwartungshaltung an Frauen und sozial Niedergestellte.


Im wesentlichen Meh.

Titel: Summerland (ISBN: 978-147-320328-0)

Autor: Hannu Rajaniemi

Sprache: Englisch (Mittel)

Länge: 336 Seiten (83k Wörter)

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