Samstag, 14. März 2020

Armed in her Fashion

Dreifarbiges Cover mit schwarzer Hintergrund und Linien; eine Person steht in betender Haltung in roter Rüstung, weißem Gesicht und Panzerhandschuhen. Im Vordergrund und teilweise überschreibend ist der Buchtitel in weißer Frakturschrift.
Ultima Ratio Mulierem – Der Frauen letzter Ausweg

Wir schreiben das frühe 14. Jahrhundert. Die Schlacht von Cassel ist noch nicht lange her und hat große Teile der männlichen Bevölkerung der Region gekostet, auf die eine oder andere Weise. Dennoch ist Brügge nach wie vor die Handelsmetropole von Europa. Wäre da nicht die Belagerung der Stadt durch Chimären aus der Hölle.

Margriet ist keine glückliche Frau. Ihr Mann Wilhelm ist von der Schlacht von Cassel nicht zurückgekehrt, aber sie trauert dem nicht nach. Sie hat mehr als genug Grund sich Sorgen zu machen: in der belagerten Stadt wurde bereits alles Vierbeinige gegessen und es gibt es kaum noch Nahrung; was es an Nahrung gibt, kann sie sich als arme Säugamme kaum leisten; sie wird ihrer Arbeit aufgrund der nahenden Wechseljahre nicht mehr nachgehen können; und ihre Tochter Beatrix, deren Ehemann ebenfalls nicht von der Schlacht zurückgekehrt ist. Sie fürchtet, dass Beatrix entweder der Gram anheimfallen wird, oder dass Ihr Gatte als Wiedergänger sie mit der Plage infizieren wird.

Des Nachts verstopft sie sich die Ohren, genau wie alle anderen Bewohner Brügges, denn im Dunkeln kommen die Wiedergänger. Dies Höllenbewohner rekrutieren sich aus den Toten und bitten ihre ehemaligen Geliebten um Einlass. Wird dieser gewährt, wird die geliebte Person von der Plage infiziert, welche einen nur auf diese Weise befallen kann, und man wird innerhalb von Tagen bis wenigen Wochen sterben.

Zu guter Letzt ist da Claude, ein Söldner, dessen Schar bei der Schlacht aufgerieben wurde. Für einige Zeit befand er sich in Gefangenschaft von Chatelaine, der Herrscherin der Hölle, konnte aber fliehen. Dies gelang ihm aber nur unter gravierenden Kosten; er musste ein Werkzeug benutzen, das ihn verletzt und verändert hat und dessen Besitz er nun – widerwillig – anstrebt.
Claude ist außerdem körperlich eine Frau, hat aber die letzten Jahre sein körperliches Geschlecht verheimlich und unter Söldnern gelebt.

Diese drei Frauen sind somit ein ungleiche Gruppe, welche sich in Brügge wiederfindet, und sie haben ungleiche Ziele, die sich bloß in Teilen überlappen. Margriet wird von ihrem Wiedergänger-Gatten heimgesucht und mit der Plage infiziert; ihr Gatte wiederum schleppt sein Geliebtes mit – eine unter den Dielen des Hauses versteckte Truhe an Erspartem. Beatrix und ihr Mann haben aus Liebe geheiratet, und sie verzehrt sich nach ihm und will ihn wiedersehen, aber befürchtet dies zugleich, da er vermutlich, genauso wie ihr Vater, ein Wiedergänger sein wird; sie weiß nicht, ob sie dem Wiedergänger Einlass verweigern könnte. Claude ist von seinem Aufenthalt in der Hölle gezeichnet und verspürt ein andersweltliches Verlangen nach dem Werkzeug, mit dessen Hilfe er fliehen konnte. Zugleich muss er sich mit der Zerstörung seiner Identität als Mann gegenüberstellen, und den unweigerlichen Fragen, die Andere darüber und über ihn stellen.

All dem gegenüber steht die Welt des frühen 13. Jahrhunderts in Belgien. Der 100jährige Krieg zeichnet sich bereits am Horizont ab, es gibt einen anerkannten Papst in Avignon und einen Gegenpapst in Rom, Philipp IV. begehrt immer noch Flamen, weswegen er die Hölle in seine Dienste spannte. Womit wir beim eigentlichen Aufhänger sind.

Die Hölle.

Was genau die Hölle ist, wird im Buch selbst nicht geklärt, aber dies ist auch nicht der Fokus der Geschichte, denn eines ist klar: Die Hölle lebt. Der Höllenschlund ist wörtlich zu nehmen, es ist der Rachen eines Wesens, dessen Körper unterirdisch verweilt und gelegentlich, und unter Führung der Chatelaine, wandert. Das Fleisch und Blut der Hölle ist nahrhaft, wenn auch nicht schmackhaft für ihre Bewohner. In der Hölle leben Chimären, welches Amalgame aus Mensch und anderem sind, sei es Tier, Maschine, oder Fabelwesen. Genauso kreiert sie auch Wiedergänger, von deren Lebenskraft sich die Hölle ernährt.
Und die Frau, welche die Zügel der Hölle in ihren Händen hält, will die legitime Herrschaft über Ländereien, mit dem Segen des legitimen Lehnsherren. Jeder Grobian kann in ein Land einfallen und die Herrschaft an sich reißen, aber die Bevölkerung wird diesen Besatzer zurückweisen und Widerstand proben, Probleme, mit denen ein legitimer Herrscher sich nicht würde herumplagen müssen.

Somit ist die Welt komplex, die Charaktere haben Tiefgang, sie wachsen als Personen, haben Konflikte miteinander, die sich nicht am Schema F entlang hangeln.
Ich denke man kann sehen, dass ich das Buch mochte. Kate Heartfield ist es nicht nur gelungen, eine interessante und überraschende alternative Welt zu kreieren, sondern ihre Figuren machen Entwicklungen durch und haben tatsächlich Charakter.

Um genau zu sein habe ich Schwierigkeiten einen Lieblingscharakter auszumachen. Nicht, weil ich keinen Charakter mochte, sondern eher weil alle Charaktere ihre menschlichen Stärken und Schwächen hatten. Margriet ist griesgrämig und vom Leben gezeichnet, mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und  einer scharfen Zunge gesegnet, welche mitunter zu scharf ist. Beatrix wiederum wirkt naiv und voller Liebe, nach besten Mühen ihrer Mutter behütet aufgewachsen. Claude ist zwar leiblich eine Frau, aber seelisch ein Mann, und lässt sich nicht von anderen auf sein Geschlecht reduzieren, ohne aber auch seine Identität davon definieren zu lassen – er sieht sich Soldat und seine Sorgen drehen sich darum, dass er mit seiner Verletzung nun lernen muss eine andere Waffe in seiner ungewohnten Hand zu führen.

Weiterhin zeigt sich, dass Heartfield sehr viel Zeit und Mühe in der Recherche für das Buch gesteckt hat, denn es werden viele zeitgemäße Begriffe verwendet. Um genau zu sein waren diese teilweise so speziell, dass sie in meinem Wörterbuch teilweise gar nicht vorkamen, was vielleicht mehr an der französischen Natur dieser Begriffe lag als an der Fachsprache der Begriffe. Ich würde mir wünschen, dass bei einer neuen Auflage dem Text ein Glossar angehängt würde, welches die ungewöhnlicheren Begriffe kurz erläutert oder synonym beschreibt.
Und vielleicht noch das Bild hinzufügen, welches den Roman inspiriert hat: Peter Bruegels De Dulle GrietDie Tolle Grete.

Und da ich gerade dabei bin: Zum Zeitpunkt des Schreibens liegt das Buch noch in den Nachwehen einer problematischen Geschichte mit dem Verlag, welche andere besser beleuchten können als ich, aber mittlerweile hat Heartfield die Veröffentlichungsrechte für Armed in her Fashion zurückerhalten, was eine Neuveröffentlichung wahrscheinlich macht. In diesem Sinne möchte ich hier eine Lanze für S.M. Beiko brechen, (eine angenehm passende Redewendung in diesem Fall) die nach allem was ich davon weiß sich sehr in der Betreuung und Bearbeitung des Romans hervorgetan hat.



Ich denke man kann an der Länge dieses Reviews feststellen, dass mir das Buch sehr gefallen hat :)

Titel: Armed in her Fashion

Autor: Kate Heartfield

Sprache: Englisch (Mittel bis schwierig aufgrund des speziellen Wortschatzes)

Länge: 350 Seiten (90k Wörter)

PS:
Hier sind noch einige Zitate, die mir sehr gut gefallen haben.

That goddamn drunkard in the street. May he life to be flayed alive. With a dull knife. And she would use his skin for a book, and write all her accounts in it with ink of gall and wormwood. 
   – Margriet in Kapitel 5
She did envy Gertrude after all—not her grief, which must be greater than Beatrix could even imagine, but her boisterous presence in the world. Gertrude took up space; Beatrix was always watching from the corners. 
 – Kapitel 21
He did not like the king’s smell, perfumed and oily. Claude had known men like him before. Vainglorious. There was a kind of violence that went with such vanity, an unwillingness to let anything else in the world be beautiful. 
 – Kapitel 25
She was such a kind-hearted woman, really. She just husbanded that kindness, as if it would run out. 
 – Über Margriet in Kapitel 32

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