Sonntag, 3. September 2017

Video Game Plotline Tester (Dark Herbalist 1)

Grüne Wiese, im Hintergrund hölzerne Palisaden mit Turm, auf dem ein Ork mit Ballista steht. Im Vordergrund ein kleiner grüner Goblin in Wams, hält ein Netz. Vor ihm liegt ein viel größerer Wolf, verwundet von einem Ballistaspeer. Neben dem blutenden Wolf steht ein anderer, der von einer Waldnymphe geritten wird.
Ein bisschen schwach im Handlungsbogen

Bei diesem LitRPG ist der Name Programm: Amra ist der auf dem Bild zu sehende grüne Zwerg, ein Goblin, und sein Beruf ist die Prüfung von dem weltweiten Megaerfolg Boundless Realms. Zugleich soll er den mehreren hundert Millionen Spielern obskure Rassen und Berufe schmackhaft machen, und aus genau diesem Grund ist neben der ungewöhnlichen Rasse auch noch Kräuterkenner (Herbalist) von Beruf.

Ihm zur Seite ist seine langjährige Gefährtin in Onlinespielen Valerianna. Wenn man die beiden vergleichen würde, dann wäre sie der Kopf, die Strategin, welche die eigentlichen Pläne schmiedet, sowohl für den Erfolg im Spiel, als auch außerhalb, denn Valerianna ist auch seine kleine Schwester.

Und so beginnen die beiden mit ihren Eskapaden in Boundless Realms, lösen Quests, schließen Freundschaften, und haben stets ein Auge darauf, dass Amras Stream interessant genug ist um Zuschauer anzulocken.

Tja, das war es auch schon, sehr viel mehr Handlung ist da nicht vorhanden. Der Leser folgt Amra aus der Ich-Perspektive wie er versucht Geld zu machen, welches er als Angestellter theoretisch gegen bare Münze tauschen kann, da der erste Band aber kaum eine Woche abdeckt, ist es noch nicht so weit gekommen und er ist anderweitig zu Geld gekommen.

Es gibt bei Dark Herbalist einige Merkmale, die ich bei anderen LitRPG noch nicht gesehen habe, wie echte Bugs und Fehler, bei denen das Spiel einen Fehlercode auswirft und NPCs in ihrer aktuellen Situation einfrieren. Da das auch bei heutigen Spielen auftritt, und da Amras Aufgabe genau das Finden solcher Fehler ist, macht dies das Spiel in einer seltsamen Verzerrung der Welt realistischer. So findet Amra zum Beispiel einen NPC, über den man durch eine schleifende Interaktion seine Reputation mit der Siedlung grinden kann.
Außerdem gibt es nicht irgendwelche abgedrehten künstlichen Intelligenzen – das Verhalten von und Gespräche mit NPCs sind zwar freizügiger und ungebundener als in heutigen Spielen, aber es bewegt sich immer noch in Grenzen.

Amra leidet auch nicht vom Protagonistensyndrom, welches ihm alles in den Schoß wirft, weil er etwas besonderes (d.h. der Hauptcharakter) ist. Nein, seine Besonderheiten wie Rasse und Beruf wurden ihm auferlegt, und gewisse Absonderlichkeiten wie Vampirismus haben nicht nur Vorteile, sondern auch einen Haufen Nachteile, welche sie ausgleichen.

Das einzige woran es Dark Herbalist mangelt ist eine Rahmenhandlung. Ja, es gibt einen überspannenden Handlungsbogen, aber der hat in etwa die Reißfestigkeit von Spinnfäden. Aus Amras Sicht hat er natürlich einen Handlungsbogen durchlaufen: er war mit der Miete im Rückstand, wohnte in einer mehr als fragwürdigen Gegend, hatte keinen Job, und keine Freundin. Am Ende des Buches hat sich das alles geändert. Für den Leser aber, oder zumindest für mich, war das entweder zu schnell gelöst, oder der Bogen nicht zu stark gespannt.

Mir ist klar, dass ich damit im Prinzip vom Autor fordere, seinen Hauptcharakter doch bitte mit Protagonistensyndrom zu infizieren, aber das stimmt nicht, nicht vollkommen. Zum Beispiel hätte er dafür entscheiden können, Amras beklemmende Wohnsituation nicht so einfach zu lösen wie er es getan hat.

Hat er aber nicht, und das kreide ich ihm an. Außerdem sehr verwirrend: das Charakterblatt, das ein paar Mal im Buch vorkam, war offensichtlich mittels Bildschirmfoto und Tabellenkalkulation erstellt worden. Wieso das nicht als einfache Tabelle im Text eingebunden war ist mir unbegreiflich.



Solide, aber mehr auch nicht.

Titel: Video Game Plotline Tester (Dark Herbalist 1)

Autor: Michael Atamanow

Sprache: Englisch (normal)

Länge: 563 Seiten (117k Wörter)

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