Montag, 13. August 2018

The Wandering Inn

Kann Spuren von Säurefliegen enthalten

In The Wandering Inn folgen wir mehreren Charakteren aus unserer Welt, die ohne Vorwarnung in eine andere Welt versetzt werden. Und mit keiner Vorwarnung meine ich wirklich keinerlei Vorwarnung. So ist beispielsweise die Hauptcharakterin, Erin, auf dem Weg zur Toilette, öffnet die Tür, und steht vor einem Drachen. Sie tut was jeder normale Mensch tun würde, der einem hausgroßen, goldschuppigen, mit armlangen Zähnen besetzten drachenartigen Wesen ins Gesicht schaut – sie rennt kreischend davon. Nach einer nervenaufreibenden und massiv unterdrückten Flucht findet Erin einen heruntergekommenen Gasthof und legt sich in diesen, bloß um aus dem Regen zu kommen.

Andere Charaktere haben weniger aufreibende, aber nichtsdestotrotz gleichermaßen banale Transite.

Und sobald sie in dieser neuen Welt sind, wird es erst richtig interessant. Zuerst folgen wir Erin, wie sie in dieser Welt ankommt und einen Gasthof findet. Dieser steht nicht weit ab von der Stadt Liscor, deren Wehrmauern ein dutzend Meter in die Höhe ragen und von aufrecht laufenden Echsen bewohnt wird, sogenannten Drakes. Diese stellen jedoch bloß die Bevölkerungsmehrheit; es gibt auch noch humanoide Hyänen, Gnolls genannt, sechsarmige, aufrecht laufende Ameisen, ein paar Bestienartige und neuerdings eben noch einen Menschen: Erin.

Als extrovertierte und bewusst fröhliche Person freundet sie sich mit diversen Leuten aus der Stadt an, wie zum Beispiel Relc und Klbkch, ein Drake bzw. Antinum, die beide [Gardisten] in der Stadtwache sind. Sie verkauft ihnen Lasagne, ein Gericht, dass es in dieser Welt noch nicht gab, und ohne welche Erin wahrscheinlich verhungert wäre.

Und als wäre das nicht genug, scheint es auch noch so als könnten Menschen, oder besser gesagt alle vernunftbegabten Lebewesen, sich Level in diversen Jobs verdienen. Man bekommt diese, wenn man eine entsprechende Tätigkeit aufrichtig durchführt. Um [Gastwirt] zu leveln, kümmert man sich um einen Gasthof, als [Rezeptionist] spricht man mit Kunden und hilft diesen an der Rezeption, und wenn man regelmäßig mit Anderen und Monstern kämpft, dann wird man ein [Krieger]. Dabei ist man nicht auf nur einen Beruf eingeschränkt – die nomadischen Gnolls haben zum Beispiel oftmals Level in [Koch], [Kundschafter], [Bogenschätze], etc. Genauso kann man auch in gewissen Maßen aufsteigen oder sich spezialisieren: Ein [Leutnant] kann ein [Oberst] und später ein [General] werden, ein langjähriger [Krieger] kann je nach Waffenvorzug [Schwertkämpfer] oder [Speerkämpfer] werden, und so weiter.

Allgemein ist die Welt sehr ausgebaut, mit mehrere Kontinenten, auf denen noch weit mehr verschiedene Völker leben; es gibt die üblichen Verdächtigen wie Zwerge und Elfen (letztere sind aber seit Jahrtausenden ausgestorben), aber halt auch Drakes, nicht zu verwechseln mit den Echsenleute, Bestienleute, die wie archetypische menschenähnliche Tiere wirken, spanngroße Fraelinge, Dämonen, und so weiter. Die Welt im allgemeinen ist ungemein groß, selbst das kleinste Kontinent spannt tausende Kilometer in alle Richtungen, und überall tummeln sich Monster, natürlichen und unnatürlichen Ursprungs.

Falls also jemand ein Herz für gut ausbaute Welten hat, der wird hier durchaus zufrieden werden.

Übrigens kann man das erste Buch sowie alle anderen auch ohne Geld dafür auszugeben online lesen. Allerdings sollte man gewarnt sein: pirateaba hat innerhalb der zwei Jahre schon über 2.000.000 Worte veröffentlicht, was in etwa dem doppelten der Harry-Potter-Heptalogie entspricht. Jede Woche kommen neue Kapitel raus, die sich mittlerweile in der Größenordnung um 8.000 Wörter bewegen.

Aufgrund der Länge gibt es natürlich sehr viele Charaktere, und auch wenn die Hauptcharakterin Erin ist, so werden immer wieder andere Erzählstränge neu aufgegriffen und weitergeführt.

Und um das mal in Relation zu setzen: ich habe das ganze Buch innerhalb von 3–4 Tagen verschlungen. Und anschließend des Rest der Webnovel, wofür ich dann weitere zwei Wochen gebraucht habe.



Ziemlich gutes Buch, das ich mir trotz kostenloser Verfügbarkeit gekauft habe.

Titel: The Wandering Inn, Volume 1

Autor: pirateaba

Länge: 1100 Seiten (346.000 Wörter, Durchschnittlänge eines Buches von Das Lied von Eis und Feuer)

Sprache: Englisch, einfach bis mittel (hängt teilweise von der Erzählperspektive ab)

Ein Schankraum. Zu sehen sind Nekromant Pisces, Läuferin Ryoka, Skelett Toren, Gardisten Relc und Klbkch, und natürlich Gastwirtin Erin.

Nun noch mal meine persönliche Meinung:
Mir gefällt The Wandering Inn vielleicht so gut, weil die Erin eine sehr normale Person ist, die keine inhärente Kompetenzgranate ist, die alles einfach so wegsmasht. Im Gegenteil; sie hat Probleme und schiebt diese vor sich her, bis sie sich ihnen stellen muss. Sie würde gerne faulenzen, aber packt an, weil sie ansonsten verhungern würde, selbst als Gastwirtin. Während der dunklen Stunden vermisst ihre Freunde und Familie, aber weiß, dass sie erstmal nichts besseres tun kann als zu überleben. Viel zu oft sind LitRPG Charaktere mit ihren Leveln und Grinden oder Mechanik beschäftigt; in dieser Welt hingegen gibt es diese Mechanik seit Jahrtausenden und jeder hat sich damit arrangiert. Runde Level oder Jobspezialisierungen werden gefeiert, jeder hat einen Job und sei es [Bettler], und die Welt wirkt ganz allgemein viel belebter als andere Settings, bei denen die Levels einfach bloß aufgepfropft wurden.

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